Aus historischen Stoffen unter Beibehaltung der geschichtlichen Wahrhaftigkeit spannende Filme zu gestalten, gehört zum Schwierigsten überhaupt. Die Nachfolge-Generationen wissen um die Abläufe, sodass das Moment der Überraschung als dramaturgisches Mittel de facto ausfällt. Dem britischen Regisseur Joe Wright und seinem Drehbuchautor ist mit „Die dunkelste Stunde“ über die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Winston Churchill (Gary Oldman) nach dem desaströsen Scheitern von Neville Chamberlain (Ronald Pickup) im Mai 1940 aber ein cineastisches Wunder gelungen.

Wright, der mit der Jane-Austen-Verfilmung „Stolz und Vorurteil“ oder mit „Anna Karenina“ international Furore machte, setzt in seinem Historiendrama auf klar strukturierte Bilder und beweist einmal mehr sein Händchen für eine subtile Schauspielerführung, die einen gewaltigen und vielfältigen Kosmos auf die Leinwand wirft.

Nach der deutschen Besetzung von Dänemark und Norwegen im April 1940 debattiert das britische Parlament das Versagen der eigenen Regierung. Die Kamera fährt von oben in den parlamentarischen Männerklub und vermittelt gleich einmal ganz direkt den Ernst der Situation. Wer soll dem völlig diskreditieren Chamberlain nachfolgen? König George VI. (Ben Mendelsohn) favorisiert Außenminister Halifax (Stephen Dillane), um bei allen Vorbehalten doch Churchill zu bestellen. Oldman stattet den Premierminister mit rhetorischer Wucht und gleichzeitiger Feinfühligkeit aus. Machtwille und Zweifel erscheinen in dieser Figurenzeichnung fast wie siamesische Zwillinge. Großartig neben Oldman auch Kristin Scott Thomas als seine Ehefrau Clementine und Lily James als „Tippmamsell“. Grandioses Geschichtskino.