Herr Frosch, Sie haben mit „Murer – Anatomie eines Prozesses“ die Diagonale eröffnet und gewonnen. Was sagt man zu so einem Start-Ziel-Sieg?
Christian Frosch: Ich freue mich wahnsinnig. Auch im Namen aller, die daran mitgewirkt haben. Film ist ja immer eine kollektive Leistung.


Haben Sie mit so viel Aufmerksamkeit für Murer gerechnet?
Anscheinend war es der richtige Film zur richtigen Zeit. Aber dass ein Film, dessen Handlung vor 55 Jahren spielt, als so heutig wahrgenommen wird, ist auch ein bisschen schockierend.


Sehen Sie da einen aktuellen Zusammenhang mit der politischen Situation in Österreich?
Ja, aber der betrifft nicht nur Österreich. Auch Länder, die sich heute als Widerstandsländer gerieren, haben eine Kollaborationsgeschichte. Und dass die Gerechtigkeit nicht immer siegt und die Politik die Justiz benutzt, ist auch kein rein österreichisches Thema.


Der Film wahrt über lange Strecken Distanz zum Geschehen. Wieso ergreift er dennoch so?
Ich wollte, dass der Zuseher sich als Zeuge im Prozess fühlt und dessen Puzzle selbst zusammensetzt. Das war ein dramaturgisches Risiko, aber es hat funktioniert, weil die Leute sich darauf eingelassen haben.


Wie entdeckten Sie den Stoff?
Ich sah als Tourist in Wilna in einem Museum eine Schautafel zu Murer, dem Schlächter, der in Graz freigesprochen wurde. Der Mann war mir völlig unbekannt. Und als ich dann die Dimension dieses Prozesses erkannte, dachte ich: Das ist der wahrscheinlich größte Justizskandal der Zweiten Republik. Und keiner kennt ihn.


Dass er Jahrzehnte verdrängt blieb, ist wohl Teil des Skandals.
Ja, und falls es die Absicht der Beteiligten war, dass der Fall vergessen wird, kann der Film dem entgegenwirken. Und hat das vielleicht auch schon getan.

Regisseur Christian Frosch
Regisseur Christian Frosch © Maximilian Wolf


Gab es Widerstand gegen die Realisierung dieses Stoffs?
Ich möchte mich da nicht zum Obermärtyrer machen, wir Filmemacher haben eh alle dasselbe Problem. Es wird immer schwieriger, Filme zu finanzieren. Und brisante Themen sind nicht immer willkommen.


Auch wenn die Leute sie sehen möchten? Ihr auch eher beklemmender Film „Von jetzt an kein Zurück“ über den Schrecken in deutschen Erziehungsheimen der Sechzigerjahre etwa hat schon 2015 den Publikumspreis der Diagonale gewonnen.
Vielleicht wird das Publikum ja unterschätzt. Man muss etwa für „Murer“ kein großes cineastisches Vorwissen haben, er ist sehr emotional und direkt. Deswegen funktionieren meine Filme auch für breites Publikum.


Was wird Ihr nächstes Projekt?
Es gibt ein fertiges Buch, aber ich bin abergläubisch und rede nicht gern über ungelegte Eier.


Noch ein zeithistorischer Stoff?
Nein, zweimal in Folge reicht