Es ist ein astreiner Pawlow'scher Reflex: Sagt man Sissi, baut sie sich auf, die verklärte Gedankenblase. Es folgt ein Seufzen und dann lange nichts. Ein Bild ohne Worte. Schwer vorstellbar, dass sich daran so bald etwas ändern wird. Nicht, nachdem sich die Sissi-Trilogie in jedem Feiertags-Pflichtprogramm erfolgreich festgekrallt hat. Die Geschichte hat ihren schönen Samtvorhang vorgezogen. Aber dahinter hat sich das wahre Drama abgespielt: Denn just im biederen 50er-Jahre-Nachkriegsdeutschland ist ein Rebellenherz erwacht. Das von Romy Schneider. Süße 19 und seit der dreimaligen Verkörperung der Kaiserin Elisabeth zur Volksschauspielerin gekrönt, im umgekehrten Sinn. Also im symbolischen Besitz der Öffentlichkeit befindlich. Sie sah das naturgemäß anders und hat sich wenig königlich mit dem Filou Alain Delon ausgerechnet nach Frankreich abgesetzt. Um es charmant zu sagen: Das hat man ihr in der Heimat übel genommen.

Romy Schneider und Alain Delon
Romy Schneider und Alain Delon © APA/AFP

Das war der Beginn eines aufregenden Lebens. Die Bilanz dieses Lebens hat morgen auf der Berlinale Premiere: „Drei Tage in Quiberon“ der Regisseurin Emily Atef (Filmstart in Österreich: 13. April). Es ist die Verfilmung einer Begegnung im März 1981 zwischen dem „Stern“-Journalisten Michael Jürgs, dem Fotografen Robert Lebeck und Romy Schneider. Drei Tage in einem verlassenen Kurort in der Südbretagne. Es ist auch ein Rückblick auf ein Leben, das von filmischem Reichtum gekrönt war, aber von vielen privaten Schicksalsschlägen überschattet. Ein Leben, das vom grellen Scheinwerferlicht so ausgeleuchtet war, dass es einen Heilungsprozess der Wunden unmöglich machte.

In Quiberon kommt das alles zur Sprache. Der raue Ort ist passend. Journalist Michael Jürgs erinnerte sich kürzlich in der „Süddeutschen Zeitung“ an diese Tage: „Romy Schneider trinkt, raucht, lacht und weint und schweigt.“ In der einzigen offenen Bar bestellen sie Champagner. Und selbst an diesem Ort kann sie Sissi nicht abschütteln: Ein Gast bittet um drei Uhr morgens um einen Tanz mit Sissi. Sie willigt ein. Romy Schneider ist nicht unnahbar, letztlich ist sie ein offenes Buch für alle. Mit einer Einschränkung: Nicht alle wollen es lesen, vielen reicht der Buchdeckel mit ihrem Konterfei vorn drauf. „Drei Tage in Quiberon“ - Marie Bäumer verkörpert Romy Schneider - ist der Versuch, das verstaubte Bild der Filmikone abzustauben. Durch ein Bild zu ersetzen, das einen Menschen zeigt, der das Leben bis zum Limit ausgekostet hat. Der über Grenzen ging, aber manchmal nicht mehr zurückfand.

Die Freigabe für das Interview erteilte sie mit den Worten: „Ich werde weiterleben - und richtig gut“. So weit kommt es nicht: Vier Monate später stirbt ihr Sohn David, als er beim Überklettern eines Metallzaunes aufgespießt wird. Im Mai darauf versagt Romy Schneider das Herz. Sie wird 43 Jahre alt.