Herr Schlöndorff, Sie sind ein berühmter Kino-Regisseur und „Oscar“-Preisträger Nun haben Sie den ZDF-Krimi „Der namenlose Tag“ inszeniert. Sagt es etwas über die Deutschen aus, dass sie so gerne Fernsehkrimis schauen?
Volker Schlöndorff: Ich kann das überhaupt nicht verstehen. Ich wundere mich jeden Abend, wenn ich das Fernsehprogramm durchblättere, wie viele Morde in Deutschland passieren. Und wenn ich die ganzen Kommissare am Werk sehe, frage ich mich: Wo kommen die vielen Leichen her?

Nun haben Sie selber einen Krimi gedreht. Was hat Sie an Friedrich Anis Bestseller fasziniert?
Schlöndorff: Ich bin weder ein Krimizuschauer noch ein Krimileser. Deshalb war ich sehr skeptisch, ob das was für mich wäre. Ich hatte das Buch einfach als Roman gelesen und war überrascht, wie sehr mich die Hauptfigur beim Lesen berührte. Die ganze Atmosphäre, die Friedrich Ani schafft, das war für mich Literatur. Bevor ich überhaupt den Auftrag bekam, hatte ich mich hingesetzt und ein Drehbuch entworfen, um zu sehen, ob da Spannung entsteht. So viel habe ich verstanden: Ein Krimi muss spannend sein.

In dem Film geht es um einen pensionierten Polizeibeamten, der Menschen über den Verlust von Angehörigen informiert. Gibt es solche Todesboten wirklich?
Schlöndorff: Das habe ich Ani auch gefragt, und er hat mir gestanden, dass er eine Frau Kommissarin kannte, die das macht und die ihm die Reaktionen der Betroffenen geschildert hat: Die einen brechen zusammen, die andern sind vollkommen gleichgültig. Das allein ist ja schon ein Filmthema.

Derzeit sind Serien groß in Mode. Margaret Atwoods Roman „Der Report der Magd“, den Sie 1990 fürs Kino verfilmten, sorgt ja derzeit als Serie unter dem Titel „The Handmaid’s Tale“ für Furore. Möchten Sie eine Serie drehen?
Schlöndorff: Ich habe mich vor einer Weile mit Margaret Atwood darüber unterhalten. Natürlich erlaubt eine Serie, einen ausufernden Roman viel genauer als in einem Film nachzuerzählen. Dieses Prinzip „Fortsetzung folgt“ kommt ja eigentlich aus dem Roman – auch Dostojewski wusste ja nicht, wie „Schuld und Sühne“ in der Folgewoche weitergeht. Insofern, als wir jetzt abends nicht mehr am Kaminfeuer sitzen und lesen, ist die Serie eine Fortsetzung von dicken Wälzern. Deshalb interessiert es mich, es ist aber zu früh, darüber zu sprechen, ich bin noch in Verhandlungen.

Sie haben vor einer Weile Dustin Hoffman gegen Belästigungsvorwürfe in Schutz genommen. Wie bewerten Sie die MeToo-Diskussion um sexuelle Belästigung in Hollywood?
Schlöndorff: Ich bin froh, dass da den Handgreiflichen buchstäblich das Handwerk gelegt wird. Das ist sehr, sehr wichtig. In 50 Jahren oder mehr in dem Beruf hat man da schon einiges hinter vorgehaltener Hand gehört und ist schon immer empört gewesen. Es ist gut, wenn das endlich an die Öffentlichkeit kommt. Ich verstehe aber auch die Reaktion der Französin Catherine Deneuve, die sagt, dass man nicht gleich jegliche Art von Erotik mitverdammen darf.