Das österreichische Filmfestival Diagonale eröffnet 2018 mit dem Film "Murer - Anatomie eines Prozesses". Das Intendantenduo Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber präsentierten ihn als brisanten Gerichtsfilm über Franz Murer, der sich 1963 wegen schweren Kriegsverbrechen vor Gericht zu verantworten hatte. Das Festivalprogramm ist zum Teil auch dem Jubiläums- und Gedenkjahr 2018 gewidmet.

Die Filmauswahl für die Diagonale 2018 von 13. bis 18. März sei beinahe abgeschlossen und zeichne ein "vielstimmiges (Selbst-)Bild Österreichs" nach. Subjektivität und Scharfsinn seien es, mit denen die Filme der heurigen Diagonale Haltungen einnehmen und damit den Blick für gesamtgesellschaftliche Tendenzen und Entwicklungen - im Kleinen wie im globalen Gefüge - schärfen würden, so die Festivalleiter.

Den Auftakt macht die Uraufführung des Spielfilms "Murer - Anatomie eines Prozesses": Anhand originaler Dokumente zeichnet Regisseur Christian Frosch den Fall des angesehenen steirischen Politikers und Großbauers Franz Murer nach, der von 1941 bis 1943 als "Schlächter von Vilnius" einer der Hauptverantwortlichen für die Tötung der Juden in der heutigen litauischen Hauptstadt gewesen sein soll. Murer wurde erst 1963 auf die juristische Intervention von Simon Wiesenthal hin in Österreich vor Gericht gestellt. Überlebende der Shoah reisten an, um auszusagen und Gerechtigkeit zu erwirken. Trotz der rückblickend betrachtet erdrückenden Beweislage endete der Prozess mit einem Freispruch.

Der Eröffnungsfilm erzählt diese Verhandlung mit 73 Sprechrollen in dichten Passagen und der stets intensive Nähe erzeugenden Kamera von Frank Amann nach. In Hintergrundsequenzen und Parallelsträngen im Umfeld des Prozesses kombiniert er die Beteiligten - Täter, Opfer, Zusehende - zu einem erschütternden postnazistischen Zeitbild, ist den Unterlagen der Diagonale zu entnehmen. Regisseur Frosch interessierte weniger, zum wiederholten Male die Verbrechen des NS-Regimes nachzuerzählen, sondern genau hinzusehen und zu verstehen, wie sich die vom Wesen her grundsätzlich verschiedenen Gruppen wie eben Täter, Opfer und Zusehende in der Republik Österreich darstellten.

Im historischen Spezialprogramm "Kein schöner Land - Blicke in die Provinz, Blicke aus der Provinz" soll Wien als Filmhauptstadt in den Hintergrund treten und die Provinz aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Filmladen-Filmverleihs beschäftigt sich die Reihe "Zur Person" mit der Frühphase dieser Institution, die als Zusammenschluss von vier Persönlichkeiten des österreichischen Films begann. Der diesjährige Diagonale-Trailer stammt von Katrina Daschner und ist eine Koproduktion von Diagonale und Kunsthaus Graz.