Seinen neuesten Spielfilm "Alles Geld der Welt" hatte Regisseur Ridley Scott schon viele Wochen vor seinem 80.
Geburtstag am kommenden Donnerstag (30.11.) fertig geschnitten. Die
Promo-Tour war geplant, der Starttermin in den US-Kinos auf den 22.
Dezember festgelegt. Doch nach den Vorwürfen sexueller Belästigung
gegen den Schauspieler Kevin Spacey griff Scott zu radikalen
Maßnahmen.

Der Regisseur schneidet derzeit alle Szenen mit Spacey als
Ölmilliardär Jean Paul Getty raus und lässt sie von Christopher
Plummer nachdrehen. "Alles Geld der Welt" erzählt die Geschichte der
spektakulären Entführung des reichen Erben John Paul Getty III., der
sich 1973 fünf Monate in der Hand skrupelloser Entführer befand.
Sein Großvater hatte sich zunächst geweigert, das Lösegeld zu
bezahlen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, schnitten die
Mafia-Kidnapper Getty sogar das rechte Ohr ab. Hauptakteure sind
Michelle Williams und Mark Wahlberg, Spacey hatte eine Nebenrolle.

An dem geplanten Kinostart im Dezember will Scott festhalten. Das
traut sich der Regie-Veteran offenbar zu. Er habe den Film in nur 43
Tagen abgedreht, erzählte Scott im Oktober - bevor der
Spacey-Skandal für Wirbel sorgte - dem US-Magazin "Vanity Fair".
"Ich bin super schnell", setzte der Regisseur noch drauf.

Es ist Scott zu wünschen, dass der Film noch vor Ende Dezember in
den USA anläuft und es damit noch in den Oscar-Wettbewerb schaffen
könnte. Vielleicht springt in der kommenden Trophäen-Saison endlich
ein Oscar für den gebürtigen Briten heraus. Drei Mal war Scott in
der Sparte Bester Regisseur schon nominiert: 1992 für sein Roadmovie
"Thelma und Louise" über zwei starke Frauen (Susan Sarandon und
Geena Davis), die einen Vergewaltiger erschießen und von der Polizei
gejagt werden. 2001 für das bildgewaltige Epos "Gladiator", 2002 für
den Kriegsthriller "Black Hawk Down" über den US-Militäreinsatz in
Somalia.

Noch hat er keinen goldenen Mann gewonnen, aber er kann sich mit
fünf "Gladiator"-Oscars trösten, darunter als bester Film des Jahres
und für den Hauptdarsteller Russell Crowe, der zu Scotts bevorzugtem
Star avancierte.

Mit 80 Jahren denkt Scott noch lange nicht an den Ruhestand. "Ich
denke immer darüber nach, was ich als Nächstes mache", sagte er im
Oktober im Interview mit "Vanity Fair". Zwei Filme stehen schon auf
seiner Liste: Das Kriegsdrama "Battle of Britain" dreht sich um
Hitlers Eroberungspläne in England im Sommer 1940, als die Luftwaffe
einen massiven Angriff auf London startete. Geplant ist auch eine
Fortsetzung zu "Alien: Covenant", erst im Mai hatte sein jüngstes
Science-Fiction-Spektakel und Alien-Gemetzel mit Michael Fassbender
an den Kinokassen abgeräumt.

Auch bei "Blade Runner 2049" mischte Scott in diesem Jahr mit,
allerdings nur als ausführender Produzent, Regie führte der Kanadier
Denis Villeneuve. Der hatte mit Blick auf Scotts ikonischen
Klassiker "Blade Runner" aus dem Jahr 1982 gleich die Erwartungen
gedämpft. Sein Film würde immer mit Scotts Meisterwerk verglichen
werden, sagte Villeneuve im Juni dem "Hollywood Reporter".

Scott war auf Umwegen zum Kino gekommen. Nach dem Studium, unter
anderem am Royal College of Arts in London, arbeitete er als
Szenenbildner bei der BBC. Doch Kulissen waren ihm nie genug, er
träumte davon, "ganze Welten zu erschaffen". Man vertraute ihm bald
die Regie für Folgen verschiedener Fernsehserien an, bis er sich mit
einer eigenen Produktionsfirma als Werbefilmer selbstständig machte.

Nach etwa 2000 Werbespots gab er 1977 mit der Verfilmung einer
Joseph Conrad-Erzählung ("Die Duellisten") sein Leinwanddebüt - beim
Filmfestival in Cannes prompt mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet.
Den internationalen Durchbruch schaffte Scott 1979 mit seinem
düsteren Sci-Fi-Streifen "Alien - Das unheimliche Wesen aus einer
fremden Welt". Ein opulenter Horror-Schocker mit spektakulären
Monstern und einem visuellen Stil, der mit einem Oscar für die
besten Spezialeffekte gekrönt wurde.

Zu Scotts umfangreichen Werk gehören auch die Polizeifilme "Der
Mann im Hintergrund" und "Black Rain" sowie der Horror-Thriller
"Hannibal". Sein Roadmovie "Thelma und Louise" wurde 1991 zu einem
Kultfilm des Frauenkampfes gegen Männergewalt. Im vorigen Jahr
gewann sein Weltraumepos "Der Marsianer - Rettet Mark Watney" mit
Matt Damon als Titelheld den Golden Globe als beste Filmkomödie.

Den zweifach geschiedenen Vater von drei Kindern, der 2003 von
der britischen Queen zum "Sir" geadelt wurde, zieht es aus Hollywood
immer wieder in die Heimat zurück. Dort bannte er den wohl
bekanntesten englischen Volkshelden auf die Leinwand. Für "Robin
Hood" (2010) blieb er auch seinem Lieblingsstar treu. Es war die
fünfte Teamarbeit zwischen Scott und Russell Crowe.

Crowe war auch zugegen, als Scott vor zwei Jahren auf Hollywoods
"Walk of Fame" mit einer Sternenplakette verewigt wurde. "Ich widme
diesen Stern meinem Bruder Tony Scott", sagte der Regisseur bei der
Feier. Sein jüngerer Bruder, "Top Gun"-Regisseur Tony Scott, hatte
sich 2012 im Alter von 68 Jahren das Leben genommen. Der Jüngere
wurde von Kritikern als "guter Handwerker" gelobt, dem Älteren
bescheinigen sie stets künstlerisches Genie.