Er läuft und läuft und läuft: Connie Nikas hat kaum Zeit, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Der flüchtige Bankräuber mit ausgeprägter Familienbindung muss die Kaution für seinen geschnappten Bruder aufbringen. Im Krimidrama "Good Time", am heutigen Dienstagabend bei der Viennale, liegt es an Robert Pattinson und dem gelungenen Soundtrack, die daraus resultierende, chaotische Odyssee auf den Boden zu bringen.

Gelegenheit zum Durchatmen erhalten weder der Hauptdarsteller noch das Publikum: Ziemlich schnell wird im Film der Brüder Josh und Benny Safdie die Ausgangslage etabliert, nachdem Connie mit seinem geistig zurückgebliebenem Bruder Nick einen Bankraub über die Bühne bringen kann. Sich beinahe schon in Sicherheit wähnend, sorgt ein explodierendes Farbgemisch in der Beute dafür, dass die Flucht noch rasant ausfällt und Nick letztlich im Gefängnis landet. Die Situation dort wird mit aller Härte inszeniert, während Connie alles daran setzt, seinen Bruder zu befreien.

Bruderliebe

In etwas mehr als eineinhalb Stunden hetzt Pattinson also durch die Nacht. Angetrieben von der Bruderliebe, muss er 10.000 Dollar zusammenkratzen und stolpert dabei von einer Ausnahmesituation in die nächste. Nick, den Coregisseur Benny Safdie ziemlich überzeugend und eindringlich darstellt, kommt unterdessen ins Krankenhaus, nachdem er sich mit anderen Insassen einen Disput über das Fernsehprogramm geliefert hat. Und da Connie im Kautionsbüro trotz angedeuteter Hilfe seiner Freundin Corey (gelungener Kurzauftritt: Jennifer Jason Leigh) auf Granit beißt, versucht er eben, seinen dick einbandagierten Bruder selbst zu "entlassen".

"Good Time" legt von Beginn an eine hohe Schlagzahl vor, bleibt dabei stets ganz nah an seinen Figuren und öffnet im Verlauf ein ganz eigenes Universum. Dieses New York ist zwar schlaflos, aber keineswegs einladend oder charmant. Die Gefängnisinsel Rikers Island ist ebenso Schauplatz wie ein in der nächtlichen Einsamkeit beinahe melancholisch wirkender Vergnügungspark. Nur sind es eben nicht die Puppen, die in der Geisterbahn den kalten Schauer über den Rücken jagen. Darüber legt der US-amerikanische Elektronikmusiker Oneohtrix Point Never einen pulsierend 80er-Jahre-Soundtrack, der selbst in ruhig scheinenden Zwischensequenzen den Adrenalinspiegel hoch hält.

Am Ende bleibt es aber an Pattinson, die zusehends auseinanderdriftende Handlung zusammenzuhalten. Der Zufall spielt in der Unterwelt naturgemäß eine wichtige Rolle, aber je länger Connies Rettungsaktion andauert, desto stärker entfernen sich die Safdie-Brüder von ihrem eingangs aufgestellten Konzept. Dem britischen Schauspieler ist dabei hoch anzurechnen, wie er (in durchaus ungewöhnlicher Erscheinung) mit sehr körperlichem Spiel den Zuschauer bei der Stange hält. Nicht umsonst war "Good Time" heuer im Rennen um die Goldene Palme von Cannes. Ganz gehen die Versprechungen der ersten Hälfte zwar nicht auf, packend ist dieser ungewöhnliche Thriller aber dennoch ausgefallen. Ab 3. November läuft "Good Time" regulär im Kino.