Nachforschungen der "New York Times" hatten bekanntlich ergeben, dass der einflussreiche Hollywood-Produzent Harvey Weinstein jahrzehntelang junge Talente und Mitarbeiterinnen sexuell belästigt und mit Abfindungen zum Schweigen gebracht haben soll. Ob der 65-Jährige - wie Roman Polanski und Bill Cosby vor ihm - auch von der Justiz zur Rechenschaft gezogen wird, bleibt abzuwarten.

Zahlreiche prominente Weggefährten gehen mittlerweile auf Distanz zu dem Hollywoodmogul. Hollywood-Stars wie Meryl Streep, GeorgeClooney, Lena Dunham, Judi Dench, Kate Winslet, Mark Ruffalo und Christian Slater fanden klare Worte.

"Unentschuldbar"

Clooney (56) sagte dem Online-Magazin "The Daily Beast": "Es ist unentschuldbar. Anders kann man es nicht ausdrücken". Er kenne Weinstein seit 20 Jahren, sei aber nie selbst Zeuge von anstößigem Verhalten des Produzenten geworden. Gerüchte, wonach "bestimmte Schauspielerinnen mit Harvey (Weinstein) geschlafen haben, um eine Rolle zu bekommen", habe er seit den 90er-Jahren gehört. Dies habe auf ihn aber wie der Versuch gewirkt, Kolleginnen zu erniedrigen, "indem man ihnen abspricht, sie hätten die Rollen wegen ihres Könnens bekommen".

Die Britin Judi Dench (82, "Philomena") bezeichnete die Vorwürfe als "fürchterlich" und drückte ihre Unterstützung für diejenigen aus, die sich über Weinsteins Verhalten beschwerten. Weinstein habe ihre Karriere in den vergangenen 20 Jahren gefördert. Sie sei aber "komplett ahnungslos" gewesen, was die Vorwürfe angehe. Dench hatte 1999 einen Oscar für ihre Darstellung von Elizabeth I. im von Weinstein produzierten Film "Shakespeare in Love" erhalten.

Streep ist entsetzt

Oscar-Preisträgerin Meryl Streep (68) reagierte mit Entsetzen auf die "beschämenden Nachrichten" über angebliche sexuelle Übergriffe und bezeichnete das Verhalten des Filmmoguls als "unentschuldbar". Von den Vorwürfen habe sie nichts gewusst. "Die furchtlosen Frauen, die ihre Stimmen erhoben haben, um diesen Missbrauch zu enthüllen, sind unsere Heldinnen", erklärte Streep, die mit der Weinstein Company mehrere Filme drehte.

Kate Winslet, die für ihre Rolle in der Weinstein-Produktion "Der Vorleser" 2009 einen Oscar gewann, beschrieb das Verhalten als "fraglos beschämend und entsetzlich und sehr, sehr falsch". "Ich hatte gehofft, dass diese Geschichten nur erfundene Gerüchte seien, und vielleicht waren wir alle naiv. Und es macht mich so wütend", sagte die 42-Jährige dem Magazin "Variety".

Streep, die mit der Weinstein Company mehrere Filme drehte, erklärte aber, sie selbst habe von den Vorwürfen nichts gewusst. Sie sei von Harvey Weinstein stets "respektvoll" behandelt worden. Das Verhalten des Filmmoguls sei "unentschuldbar", der Missbrauch von Macht sei aber weit verbreitet.

"Wendepunkt"

Unterdessen erklärten sich Feministinnen und Frauen mit Hollywood-Kenntnissen in den sozialen Medien erleichtert. "Für mich ist der Wendepunkt gekommen", schrieb die Produzentin der HBO-Fernsehserie "Girls", Jenni Konner, über Twitter. "Dies ist der Moment, auf den wir zurückblicken und sagen werden: 'So hat der Wandel begonnen.'" Weinsteins Rauswurf werde "jedem Mann in Hollywood Angst machen, seine Macht anders als für Film- und TV-Produktionen einzusetzen".

Das Branchenblatt "Variety" fragte in einem Kommentar: "Wird die (Film-) Industrie jemals ihre Bereitschaft aufgeben, obszönes Verhalten, Belästigung, Vergewaltigung und Attacken zu übersehen?" Es habe gelegentlich den Anschein, als sei der Missbrauch von Frauen "in die DNA der Unterhaltungsindustrie eingebacken". Die Fernsehautorin Carina MacKenzie ("The Originals") twitterte zum Fall Weinstein: "Harvey hat den Ton angegeben in der (Film-) Industrie, und Tausende Männer haben gelernt, dass es akzeptabel ist, in seine Fußstapfen zu treten."

Der ältere Weinstein-Bruder Harvey hatte mit seinem Bruder Bob 1979 das Studio Miramax gegründet. 1993 veräußerten sie das Unternehmen an Walt Disney Co., führten es aber aktiv weiter. Miramax gelang, was laut "Los Angeles Times" kein anderes Studio in Hollywood schaffte: Es heimste in nur 15 Jahren 249 Oscar-Nominierungen und 60 Oscar-Trophäen ein. Harvey Weinstein "war der Mann, der kaum bekannte Indie-Film-Regisseure zu Rockstars machte", schrieb die "LA Times". Er habe "Hollywoods größte Träume und schmutzigste Impulse verkörpert".

"Verrückter Gauner"

Ein früherer Kolumnist der Zeitung, Patrick Goldstein, beschrieb Weinstein 2007 wie folgt: "Ein verrückter, speichelspuckender und kettenrauchender Gauner, der Beleidigungen brüllt, Arme verrenkt und schamlos jeden Film anpreist, der gerade ins Kino kommt." Zwei Jahre vor diesem Porträt hatten Harvey und sein Bruder Bob eine neue Firma gegründet, The Weinstein Company (TWC). Obwohl derzeit noch 42 Prozent des Unternehmens in den Händen der Brüder liegen, wurde Harvey Weinstein am Sonntag vom TWC-Vorstand, darunter auch Bruder Bob, vor die Tür gesetzt. Die vier Direktoren beriefen sich in einer Erklärung auf bisher nicht veröffentlichte Informationen, die nach dem Artikel der "New York Times" nur vier Tage zuvor zu ihnen durchgedrungen waren.