Ein ereignisreiches Jahr erlebt die iranische Künstlerin und Filmemacherin Shirin Neshat. Nach dem Debüt als Opernregisseurin bei den Salzburger Festspielen mit der "Aida" unter dem Dirigat von Riccardo Muti, präsentiert sie  beim Filmfestival von Venedig ihren Film "Looking for Oum Kulthum", eine Koproduktion von Deutschland, Österreich, Italien und Marokko.

Der von der Wiener coop99 koproduzierte Film kreist um die ambitionierte iranische Regisseurin Mitra, die ihren Traum verfolgt, einen Streifen über ihre Heldin, die legendäre ägyptische Sängerin Oum Kulthum, zu drehen, eine Maria Callas der arabischen Welt. Für die Rolle der 1975 verstorbenen Künstlerin, eine enge Freundin und Unterstützerin des späteren ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, heuert Mitra die junge und begnadete Schauspielerin und Sängerin Ghada an. Der Versuch, Oum Kulthums Wesen unabhängig vom Mythos und den alten Klischees zu erfassen, sorgt für einen tiefen Wandel in Mitra.

Zugleich wird Mitra von schweren Schuldgefühlen geplagt. Seit sieben Jahren hat sie ihren 14-jährigen Sohn nicht mehr gesehen , den sie bei ihrem Ehemann in ihrer iranischen Heimat zurückgelassen hat, um im Westen als Regisseurin zu arbeiten. Als der Sohn plötzlich verschwindet, steigern sich Mitras Schuldgefühle ins Unerträgliche. Auch ihre zunehmenden Schwierigkeiten, die wahre Essenz Oum Kulthums zu erfassen, führen zu einem Zusammenbruch. Das ganze Filmprojekt stellt sie nun zum Ärger der Produzenten infrage.

Rückkehr nach Venedig

Der Film wurde vom Österreichischen Filminstitut, dem Filmfonds Wien und Filmstandort Austria unterstützt. An der Koproduktion beteiligte sich auch die italienische Filmgesellschaft In Between Art Film. "Ich habe sechs Jahre lang an dem Film gearbeitet. Jetzt ist es eine große Freude für mich, acht Jahre nach dem Silbernen Löwen für mein Spielfilmdebüt 'Women Without Men' wieder nach Venedig zurückzukehren", berichtet Shirin Neshat im Telefonat mit der APA aus New York, wo sie lebt.

Lob für Österreich

Wichtige Teile des Films wurden in Wien gedreht. "Insgesamt habe ich für die Dreharbeiten einen Monat lang in Wien verbracht. Österreich ist für mich ein besonders wichtiges Land. Es ist außerordentlich, was Österreich zur Förderung der Kultur leistet", betont Neshat, eine der wichtigsten Vertreterinnen der zeitgenössischen Kunst.

Besonders fruchtbar sei für Neshat die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Kameramann Martin Gschlacht, Mitbegründer der Wiener coop99. "Ich glaube, ich werde keinen Film mehr ohne ihn machen", meint Neshat. "Looking for Oum Kulthum" entwarf sie mit ihrem iranischen Ehemann Shoja Azari, mit dem sie bereits "Women Without Men" gedreht hat. Im Vordergrund ihres neuen Films stehen wieder starke Frauenfiguren. "Mich faszinieren Frauen aus dem islamischen Kulturkreis, die mit politischen und religiösen Situationen konfrontiert sind", meint Neshat.

Nach den Filmfestspielen in Venedig will sich die Regisseurin eine Auszeit nehmen, um an neue Projekte zu denken. Im kommenden Frühjahr plant sie eine Ausstellung im römischen Museum für zeitgenössische Kunst MACRO. Eine Zeit lang will sie auch in der Residenz der American Academy in Rom verbringen. Weitere Filme schließt Neshat nicht aus.

Opern-Debüt

Neshat denkt gern an ihr Debüt als Opernregisseurin bei den Salzburger Festspielen zurück. Kritik an ihrer schlichten, modernen Regie verletzte sie nicht. "Bei all meinen Werken gibt es positive und negative Kritik. Keine meiner Arbeiten lässt die Menschen neutral. Die Opernwelt ist ein konservatives Ambiente. Der Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, war mutig, mir die Regie der 'Aida' anzuvertrauen. Ich lasse mich von negativer Kritik nicht beeinflussen und mache auf meinem Weg weiter", so Neshat.