Der in Locarno preisgekrönte Film "Mrs. Fang", der das Sterben einer an Alzheimer leidenden alten Frau beobachtet, wurde von deutschen, französischen und chinesischen Produzenten finanziert. Die Wettbewerbsjury hat vielfach an den Erwartungen vorbei entschieden. Am augenfälligsten ist das bei den Ehrungen der besten Schauspieler. Hoch gehandelt worden waren die Deutsche Johanna Wokalek in "Freiheit" und der US-Amerikaner Harry Dean Stanton in "Lucky". Ausgezeichnet wurden die Französin Isabelle Huppert als zickige Lehrerin in "Madame Hyde" (Frankreich/Belgien) und der Däne ElliottCrosset Hove als gewalttätiger Arbeiter in "Winterbrüder" (Dänemark/Island).

Spezialpreis

Anders als diese Entscheidungen, findet die Vergabe des Spezialpreises der Jury an den brasilianisch-französischen Spielfilm "Gute Manieren" (Regie: Juliana Rojas, Marco Dutra) einhellig Beifall. Das Drama erzählt vom Leben einer jungen Frau und ihres angenommenen Sohnes, der sich bei Vollmond in einen Werwolf verwandelt. Der Film entspricht genau der auf dem Festival in Locarno gern gepflegten Balance von Unterhaltung und Anspruch.

Das trifft auch auf "9 Finger" des Franzosen F.J. Ossang zu. Er wurde als bester Regisseur gekürt. Sein surrealer Spielfilm überzeugt sowohl als Parabel auf die bürgerliche Gesellschaft als auch als rätselhafter Thriller. Ossang gehört zu den Filmschaffenden, die das Festival von Locarno besonders fördern möchte: Künstler, die nach neuen Ausdrucksformen für das Kino suchen.