Die Debatte um die Teilnahme von zwei Netflix-Produktionen im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes ist noch nicht beendet. Auch beim zweiten Wettbewerbsbeitrag des Streaminganbieters, Noah Baumbachs mit Spannung erwartetem Familienporträt "The Meyerowitz Stories", gab es von Teilen des Publikums Buhs beim Erscheinen des Netflix-Logos. Der Film selbst wurde indes wohlwollend aufgenommen.

Indieregisseur Noah Baumbach, seit der Schwarz-Weiß-Komödie "Frances Ha" ein Star der Szene, inszeniert sein neues Werk als Multipersonenporträt im Stile von Woody Allen. Der Film wird dabei nur in ausgewählten Kinos zu sehen sein, was die cinephile Cannes-Gemeinde entzweit. Baumbach selbst sieht die Streamingdebatte vor der Presse indes gelassen: "Das einzigartige Erlebnis entfällt auch nicht ohne große Leinwand."

Mit Adam Sandler, Ben Stiller, Emma Thompson, Dustin Hoffman und zahlreichen Cameo-Auftritten, setzt der Regisseur dabei ganz auf den Starfaktor, bringt aber gewohnte Rollenklischees der Schauspielers ins Wanken. "Wir würden alle für Noah auch umsonst arbeiten", zollte Leinwandlegende Dustin Hoffman dem 47-jährigen seinen Respekt: "Er ist ein einzigartiger Künstler, sein Werk hat eine bestimmte Musik." Entsprechend glücklich sei er, das Werk in Cannes vorstellen zu können. Einzig nerve ihn, dass ihm hier jeder sage, dass er mit seinem Werk aufgewachsen sei - älter könne man sich wohl nicht fühlen.

Auch Ben Stiller hatte augenzwinkernde Probleme - mit Baumbachs Drehbuch: "Die ersten 40 Seiten fand ich etwas mau. Mein Charakter taucht erst auf Seite 41 auf." Beeindruckender verlief das Lesen da für seinen Kollegen Adam Sandler, der in "Meyerowitz Stories" Stillers Bruder spielt: "Mir stiegen die Tränen in die Augen, und ich musste lachen."

Und schließlich beteuerte auch die britische Kinolegende Emma Thompson ihre Liebe zum Baumbach-Oeuvre. Dennoch habe ihre Rolle ungewohnte Hürden beinhaltet: "Ich musste mit einem amerikanischen Akzent spielen - was sehr hart war. Und eine Alkoholikerin - das war leicht."

Spannung vor Godard-Premiere

Am Sonntag steht mit "Le Redoutable" von Michel Hazanavicius ("The Artist") ein Film auf dem Programm des Festivals Cannes, der mit Spannung erwartet wird: Er stellt den französisch-schweizerischen Regiealtmeister Jean-Luc Godard ins Zentrum. Der 86-Jährige selbst bleibt dem Festival auch heuer fern. Er führt in der Schweiz das Leben eines Einsiedlers und hat sich aus der Branche zurückgezogen.

Auch 2014, als sein Film "Adieu au langage" in Cannes den Jurypreis gewann, ließ sich die Regielegende ("Le Mepris") nicht dazu bewegen, die Auszeichnung persönlich an der Cote d'Azur abzuholen. "Im Sinne des Geistes des Widerspruchs hätte ich lieber, der Film gewänne keinen Preis", ließ sich Godard damals zitieren.

"Le Redoutable" von Hazanavicius, der im Wettbewerb läuft, zeigt, wie die Ikone der Nouvelle-Vague-Strömung 1968 künstlerischen Suizid beging: Godard brach mit dem traditionellen Kino. Die Figur des Filmemachers spielt der französische Schauspieler Louis Garrel.