"Wir sind sehr interessiert daran das Publikum über unsere 'Kerngruppe' hinaus zu erweitern", konstatierte der künstlerische Leiter Matthias Osterwold auf Nachfrage. "Eine Künstlerin wie Laurie Anderson steht beispielhaft dafür. Sie ist eine unglaublich gute Künstlerin, wird aber nicht nur im Kontext der Hochkultur wahrgenommen", gab er sich sichtlich begeistert von der Programmierung des letzten Festivalabends.

Die Intention der Öffnung ging auf. Neben der "Kerngruppe", der Osterwold "große Offenheit und Neugierde" attestierte, kamen verstärkt auch Menschen, die ansonsten die Klangspuren eher meiden.

Die Performance geriet zum Ereignis. Anderson, vor wenigen Monaten siebzig Jahre alt geworden, sprühte vor Frische und Ideenreichtum. "The Language of the Future" war eine Hybrid-Form von Spoken-Word-Performance, regulärem Konzert, Intermedia-Happening und Stand-Up-Comedy. Vor allem letztere bezeichnete Anderson selbst, als eine Art Meta-Kommentar während der Performance, als die Ur-Idee.

Diese sei aber daran gescheitert, dass sie lediglich zwei Witze kenne. Sprachlich pointiert und fesselnd blieb der Abend dennoch, wenngleich angesichts von Themen wie Donald Trump oder dem Tod ihres Mannes Lou Reed wenig humoristisch. Ihr Werk bewegte und veränderte sich stetig. Die Ur-Performance von "The Language of the Future" fand bereits im Jahr 1984 statt. Das erlaubte und erlaubt es Anderson stets auf politische Ereignisse, jeweils neue Technologien und persönliche Schicksalsschläge zu reagieren.

An diesem Abend erlebte man somit die aktuellste Manifestation ihres Werkes. Die Mittel dazu waren relativ einfach: Stimme, Violine, Live-Elektronik und Visuals. Dazu erzählte sie aus ihrem Leben. Davon, dass sie Amerika, wie viele andere auch, im Moment nicht mehr wiedererkenne. Daneben wurden zutiefst persönliche Ereignisse gestellt. Etwa ihr Unfall als Kind, als sie bei einem Sprung von einem Sprungbrett den Pool verfehlte und auf dem Beton landete.

Besonders berührend war ihre Hommage an ihren 2013 verstorbenen Ehemann Lou Reed. Tränen wurden mit Wassertropfen visualisiert und substituiert, die Musik dazu war wie den ganzen Abend über minimalistisch und eindringlich, sowohl an avancierten Spielarten der Popmusik als auch an elektronischen Experimenten und nicht zuletzt an diversen Avantgarde-Strömungen geschult.

Die Geschichten fügte Anderson zu einem Bewusstseinsstrom zusammen, der immer wieder unterbrochen wurde. Meist von einer launigen und erstaunlich ungezwungenen Anderson. Fast unbemerkt ging sie immer wieder von spontanem Plaudern zu beeindruckenden und faszinierenden, vor Schönheit und Abgründen überquellenden Erzählungen über. Zuletzt fand sie auch noch zu einem konzisen, wunderschönen Song, den abermals der Geist ihres verstorbenen Mannes durchwehte.

Dazwischen wurde "Walden" und die Einsamkeit thematisiert, wie sie sich Henry David Thoreau vorstellte. Der (politischen) Hässlichkeit der gegenwärtigen USA möchte Anderson außerdem, wie in mehreren Passagen deutlich wurde, die unbedingte Schönheit und die Kraft der Poesie und der Musik gegenüberstellen. Diese Schönheit erreichte sie an diesem Sonntag vor allem mit ihrem Violine-Spiel und den klug und atmosphärisch programmierten Sounds, die ihr zur Seite standen. Die Text-Musik-Bild-Kombination erschuf zusammen mit dem mehr als gelungenen Lichtkonzept magische Momente, in denen man sich kaum zu atmen traute.

Am Ende des Abends stand ein schlichtes "Thank you" ihrerseits. Nach kurzer Stille, viele waren wohl immer noch im Sog dieses einzigartigen Abends gefangen, brandete Applaus auf, der immer stärker wurde und in vereinzelten Jubel-Bekundungen und Standing-Ovations gipfelte. Die Klangspuren Schwaz feierten ihr grandioses Festival-Finale mit einer Künstlerin jenseits aller Kategorien und Zuschreibungen. Anderson ist vor allem eine Musikerin und Künstlerin, die stets ihr Ohr am Puls der Zeit hat, ohne sich für Konventionen zu interessieren oder in die Falle einer dogmatisch verstandenen Modernität zu tappen. Ein grandioser Abend.