Michael Haneke setzt zum Sprung auf die dritte Goldene Palme an: Der österreichische Regisseur wurde mit seinem neuen Film "Happy End" in den Wettbewerb der 70. Filmfestspiele Cannes (17. bis 28. Mai) geladen, gab das Festival am Donnerstag bekannt. Zuletzt holte der 75-Jährige mit "Das weiße Band" 2009 und "Amour" 2012 zweimal hintereinander den Hauptpreis des wichtigsten Filmfestivals der Welt. Vor Haneke war es nur sechs weiteren Regisseuren gelungen, zwei Goldene Palmen zu holen - darunter Größen wie Francis Ford Coppola, Emir Kusturica sowie die Dardenne-Brüder

Für Haneke ist es die achte Einladung in den Wettbewerb bzw. die siebente ins Rennen um die Goldene Palme - 2003 nämlich lief seine Endzeitstudie "Wolfzeit" außer Konkurrenz. "Happy End" erzählt von einer gutbürgerlichen Familie im nordfranzösischen Calais, deren Schicksal von Migranten betroffen ist. Neben Isabelle Huppert und Jean-Louis Trintignant, die beide auch in "Amour" mitwirkten, stand Mathieu Kassovitz für Haneke vor der Kamera.

Starke Konkurrenz

Haneke ist im 18 Werke umfassenden Wettbewerb der einzige Filmemacher, der bereits zwei Goldene Palmen verbuchen konnte. Über die Vergabe der begehrten Preise entscheidet eine internationale Wettbewerbsjury, der heuer der spanische Autorenfilmer Pedro Almodovar vorsteht. Konkurrenz für Haneke kommt von Regie-Stars wie Francois Ozon, Todd Haynes und Hang Sangsoo. Mit Sofia Coppola, Lynne Ramsay und Naomi Kawase befinden sich diesmal drei Regisseurinnen in der traditionell sehr männerdominierten Hauptkonkurrenz.

Eine deutsch-österreichische Koproduktion läuft in der renommierten Nebenschiene "Un Certain Regard": Die deutsche Regisseurin Valeska Grisebach drehte "Western" in der bulgarischen Provinz, wo eine Gruppe deutscher Bauarbeiter von Abenteuergefühlen übermannt wird, wie aus der Ankündigung der Austrian Film Commission (AFC) hervorgeht. Die Produktion der Komplizen Film, die im Vorjahr mit Maren Ades gefeierter Vater-Tochter-Geschichte "Toni Erdmann" im Wettbewerb zu Gast war, entstand gemeinsam mit der Wiener coop99 filmproduktion und wurde u.a. vom Österreichischen Filminstitut gefördert.

Als spezielle Screenings sind u.a. die Virtual-Reality-Erfahrung "Carne y Arena" von Oscarpreisträger Alejandro G. Inarritu sowie "An Inconvenient Sequel", die Fortsetzung von Al Gores bedeutender Klimawandel-Doku "An Inconvenient Truth", angekündigt. Zwei Schauspielerinnen präsentieren an der Croisette ihre Regiedebüts: Kristen Stewart zeigt ihren Kurzfilm "Come Swim", Vanessa Redgrave das Flüchtlingsdrama "Sea Sorrow". Auch dem Fernsehen öffnet sich das Festival zunehmend mit Screenings von Episoden von "Top of the Lake: China Girl" von Jane Campion sowie der "Twin Peaks"-Fortsetzung von David Lynch.

Hanekes beispiellose Karriere

Seit beinahe drei Jahrzehnten ist Michael Haneke der österreichische Fixstarter an der Croisette. All seine Kinoarbeiten - mit Ausnahme des US-Remakes von "Funny Games" - feierten hier ihre Premiere. Schon sein Kinoerstling "Der siebente Kontinent" war 1989 in der renommierten Nebenschiene "La Quinzaine des Réalisateurs" gelaufen.

Mit der aufsehenerregenden Gewaltstudie "Funny Games" wurde 1997 in der traditionsreichen Geschichte des Festivals das erste Mal überhaupt eine heimische Produktion in die Hauptkonkurrenz geladen. Haneke gastierte als erster Österreicher nach 35 Jahren im Wettbewerb und läutete damit die jüngere Welle heimischer Filmerfolge ein. (1962 konkurrierten u.a. der gebürtige Österreicher Herbert Vesely mit der deutschen Produktion "Das Brot der frühen Jahre" sowie die austro-amerikanische Regiegröße Otto Preminger mit "Sturm über Washington" um die Goldene Palme.)

Den ersten großen Erfolg erzielte Haneke 2011 mit der Elfriede-Jelinek-Verfilmung "Die Klavierspielerin": Der Film gewann neben den beiden Darstellerpreisen für Isabelle Huppert und Benoit Magimel auch den Großen Preis der Jury, die zweitwichtigste Auszeichnung des Festivals. Für "Caché", seinen fünften Film im Wettbewerb, gewann er 2005 die Auszeichnung als bester Regisseur.

Alles in allem hielt Haneke die rot-weiß-rote Fahne im Wettbewerb öfter hoch als alle anderen heimischen Filmemacher zusammen. Dazwischen liefen 2004 "Die fetten Jahre sind vorbei" von Hans Weingartner und 2007 "Import Export" von Ulrich Seidl im Wettbewerb, 2003 war Virgil Widrich mit "Fast Film" in die Kurzfilmkonkurrenz eingeladen, 2011 trat Markus Schleinzer - seines Zeichens Hanekes Castingdirektor - mit seinem Regiedebüt "Michael" den Weg an die Croisette an. Ebenfalls Cannes-Geschichte schrieb Christoph Waltz, der 2009 für seine Rolle in "Inglourious Basterds" den Darstellerpreis erhielt. 2012 gab es mit "Amour" und Seidls "Paradies: Liebe" das erstmalige österreichische Doppel in der Hauptkonkurrenz.