Ein wunderbares, durchaus sensationelles Überraschungspaket. Optisch nicht besonders groß, aber inhaltlich mächtig, monumental und in zentraler Position im reichhaltigen Schaffen von Elfriede Jelinek. Die Literaturnobelpreisträgerin, die demnächst ihren 70. Geburtstag feiert, überlässt dem "steirischen herbst", der seinerseits im kommenden Jahr sein 50. Festivaljahr zelebriert, für 2017 die Rechte an einer Bühnenversion ihrer albtraumhaften, epischen österreichischen Endzeitvision "Die Kinder der Toten".

In ihrem 1995 erschienenen, mehr als 660 Seiten umfassende Roman, geografisch angesiedelt in einem Tal in der Nähe von Niederalpl, das alsbald im Schlamm und in der geistigen und moralischen Jauche versinkt, bewies Elfriede Jelinek all ihre erzählerischen Fähigkeiten und die tückische Kunst, den Leser stets am falschen Fuß zu erwischen. Tiefschwarze Sequenzen werden völlig überraschend mit ironischen und sarkastischen Einschüben unterlaufen, stets werden plumpe Versuche, Vergangenheit zu verdrängen, bloßgestellt, nicht selten karikaturhaft. Eine zynische, sprachmächtige Metapher über den Untergang des an Gipfeln der Heuchelei reichen Alpenlandes.

Der Roman ist und bleibt ein Monolith mitten im heimischen Morast. Im kommenden Jahr wird er in szenischer Version beim „steirischen herbst“ seine Uraufführung erleben – eine spannende, subtile und vielschichtige Umsetzung kündigt sich an. Denn verantwortlich dafür soll das New Yorker Nature Theater of Oklahoma zeichnen, das ja schon mehrmals in „herbst“-Kooperationen für geniale und grenzüberschreitende Glanztaten sorgte.

Als Verbeugung vor der Dichterin, aber ebenfalls als spannende Wahl lässt sich der geplante Ort der Uraufführung deuten. Präsentiert werden soll das Werk im Raum Neuberg, also im geografischen Umfeld von Elfriede Jelineks Geburtsstätte. Ein grandioses Jubiläums-Doppel zwischen Intendantin Veronica Kaup-Hasler und der Dichterin schon jetzt, das nebstbei auch zum Akt einer Wiedergutmachung werden könnte.

Denn (lang, lang ist’s her) im Jahr 1979 setzte der damalige „herbst“ ein Werk recht kläglich in den Sand. Es handelte sich um „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte“. Eine doppelbödige und raffinierte Ibsen-Paraphrase, ein Bühnenerstling, der später brillant aufbereitet wurde. Der Name der Autorin? Elfriede Jelinek, baldige Jubilarin.