"Hagazussa" ist das rohe, sinnliche Porträt einer Psychose, ein feministischer Blick auf die Rolle der Frau im Mittelalter: Der gebürtige Wiener Nachwuchsregisseur Lukas Feigelfeld hat Donnerstagnacht sein bildgewaltiges Langfilmdebüt bei der Grazer Diagonale als österreichische Festspielpremiere vorgestellt. Sein "Hagazussa" ist gleichsam ein Hybrid abseits klassischer Genrekonventionen.

Feigelfeld siedelt sein praktisch ohne Budget und teils über Crowdfunding finanziertes Abschlussprojekt in den entlegenen Alpen am Ende des pestgeplagten Mittelalters an. Für das grassierende Elend werden neben anderen Hexen als Schuldige verantwortlich gemacht werden - respektive marginalisierte Frauen, die in diese Rolle gedrängt werden.

In fragmentarischen Sequenzen schildert "Hagazussa" das Leben der jungen Albrun, die mit ihrer Mutter abseits eines Dorfes auf einem Hof lebt. Als die Mutter an Beulenpest stirbt, bleibt das Kind zurück. Zwei Jahrzehnte später lebt Albrun nun selbst allein mit einem Baby in der einsamen Hütte in den Bergen - immer noch verfemt von den Bewohnern des Tales. Sie wird als Außenseiterin von der Kirche und den Menschen gemieden und malträtiert. Und schließlich bricht sich die Marginalisierung, die Ausgrenzung in ihrem Geiste bahn. Albrun fällt dem Wahnsinn anheim, hört Stimmen, ermordet ihr Kind.

Feigelfeld, der auch für das Drehbuch seines Erstlings verantwortlich zeichnete, hält das Geschehen bewusst in der Schwebe. Er webt in episodischen Einstellungen das Psychogramm einer Außenseiterin, ohne die surrealen Elemente partout einzig mit den Phantasmen einer Psychose zu erklären.

"Ich hatte als Kind Angst vor Hexen", erinnerte sich Feigelfeld nach der Premiere an Verwandtenbesuche im Salzkammergut, wo nun auch ein Teil von "Hagazussa" gedreht wurde: "Und ich wollte das irgendwann loswerden." Das sei ihm mit der langen Beschäftigung nun auch gelungen.

Mehr Gemeinsamkeiten mit von Trier als mit Horrorfilm

Dabei erinnert "Hagazussa" - ein althochdeutscher Ausdruck für Hexe - über weite Strecken an den rohen, beinahe unbehauenen Charakter von Robert Eggers Indiehit "The Witch", der in ähnlich rauem Setting spielt. Auch mit Werken wie Lars von Triers "Antichrist" weist das Frauenporträt mehr Gemeinsamkeiten auf als mit dem gängigen Horrorfilm. Und doch habe diese Labelung im Vorfeld durchaus Schwierigkeiten bereitet, erinnerte sich Feigelfeld an die Suche nach Finanziers für das über vier Jahre entwickelte Vorhaben: "Wenn man mit den Schlagworten Horror und Mittelalter kommt, sind sofort alle Türen zu."

Dabei lebt "Hagazussa" nun vor allem von der großartigen Arbeit der mexikanischen Kamerafrau Mariel Baqueiro. In extremen Nahaufnahmen gelingen ihr ikonografische Einstellungen des Leidens, des Wahnsinns, der sich im Gesicht der herausragenden polnischen Albrun-Darstellerin Aleksandra Cwen spiegelt. Hinzu kommt der dominante Soundtrack des griechischen Avantgardetrios MMMD.

Zwischen wummerndem Bass und gänzlicher Stille mäandert sich so ein langsamer Strom der Bilder voran. Wenn der Regisseur Feigelfeld nun noch dem Drehbuchautor Feigelfeld eine etwas kompaktere, dynamischere Erzählweise entlockt, ist von dem 31-jährigen Filmemacher mit Wohnsitz Berlin durchaus Großes zu erwarten.

"Hagazussa" läuft auf der Diagonale nochmals am 17. März um 11.30 Uhr.