"Das Spiel ist unser Geschäft, die Fiktion unser Privileg", sagt Anna Badora. In der Spielzeit 2017/18 nutzt man diese Zutaten am Wiener Volkstheater wieder, um "die relevanten politischen Themen unserer Zeit ins Visier" zu nehmen, wie die Direktorin bei der Saison-Pressekonferenz ankündigte. Von Euripides bis George Orwell, von Johann Nestroy bis David Bowie reicht das Programm.

Zurück ans Volkstheater kehren dabei Regisseure wie Milos Lolic und Yael Ronen, "vielversprechenden" Nachwuchs präsentiert man mit Pinar Karabulut oder Felix Hafner und "profilierte Leute" etwa mit Stephan Kimmig, Hermann Schmidt-Rahmer oder Sebastian Schug. Mittlerweile sei sie sich "der Akzeptanz des Publikums" auch bei "ungewöhnlichen Ästhetiken" gewiss, so Badora. Thematisch geht es um "die Erosion des Faktischen", um Krieg und Flucht, und um das Aufkündigen jahrzehntelang tradierter Werte.

"Bogen über 2000 Jahre"

Badora selbst eröffnet die Saison am 8. September mit einem "Bogen über 2.000 Jahre - vom Vater aller Kriege bis zur großen Völkerwanderung des 21. Jahrhunderts auf den paneuropäischen Fluchtrouten": Euripides' "Iphigenie in Aulis" verschmilzt dabei mit Stefano Massinis "Occident Express", das unter anderem erzählt, "wie reale Flüchtlinge durch die Medien zu einem Klischee und damit zu Fiktion gemacht werden".

Thesen zum "postfaktischen Zeitalter" entnimmt Hermann Schmidt-Rahmer auch dem Roman "1984" von George Orwell, dessen Bühnenversion am 17. November Premiere feiert. Und auch Yael Ronen stützt sich nicht zuletzt auf Fake News und Tweets, wenn sie mit dem Ensemble des Hauses bis zur Premiere am 19. Jänner die "#FröhlicheApokalypse" vorbereitet.

Dem Säulenheiligen des Wiener Volkstheaters, Johann Nestroy, huldigt man am 23. September mit "Höllenangst" in der Regie von Felix Hafner. Die Couplets, "die zu den schärfsten bei Nestroy gehören", wie die Leitende Dramaturgin Heike Müller-Merten betonte, werden dabei von "Willkommen Österreich"-Autor Peter Klien aktuell überschrieben. Dem Wienerischen und seinem nicht immer schmeichelhaften Eigenheiten widmet sich auch Nikolaus Habjan gemeinsam mit der Musicbanda Franui, die am 11. Oktober einen Georg-Kreisler-Liederabend unter dem Titel "Wien ohne Wiener" auf die Bühne bringen.

Volkstheater Wien
Volkstheater Wien © (c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)

Aus Filmen von Krzysztof Kieslowski haben Regisseur Stephan Kimmig und Dramaturg Roland Koberg das Stück "Die Zehn Gebote" destilliert, in Form von "zehn Geschichten aus dem Leben einer Warschauer Trabantensiedlung", aus einer Welt "in der diese Gebote völlig ihre Bedeutung verloren haben", wie Koberg berichtete. Premiere ist am 15. Dezember. Sebastian Schug inszeniert am 2. März "Viel Lärm um nichts" von William Shakespeare - als finales großes Ensemblestück am Haupthaus.

Denn neben dem Volkstheater an der Zweierlinie, dem in den Bezirken und dem Volx/Margareten bespielt man in der kommenden Saison auch noch das Odeon, weil am Haupthaus ab Mai die Generalsanierung ansteht. Das Ausweichquartier wird dabei Schauplatz des ersten Musicals in der Intendanz Badora: das erst kurz vor David Bowies Tod in New York herausgekommene "Lazarus" von Bowie und Enda Walsh in der Regie von Milos Lolic. Das Volkstheater-Ensemble geht derzeit durch das Vorsingen für die Rollen.

Theater in den Bezirken

In den Bezirken hat man hohe Erwartungen an "Das Haus am See (On the Golden Pond)" von Ernest Thompson (Regie: Ingo Berk), bietet außerdem Jura Soyfers "Der Lechner Edi schaut ins Paradies" (Regie: Christine Eder), Gerald Sibleyras' "Anderthalb Stunden zu spät" (Regie: Aurelina Bücher) und zuletzt Lessings "Emilia Galotti" (Regie: Lukas Holzhausen) - außerdem freut man sich über ein neues Vermittlungsprojekt, bei dem langjährige Abonnenten Theater-"Anfänger" unter ihre Fittiche nehmen.

Ur- und Erstaufführungen sind wieder die Spezialität des Volx/Margareten, darunter Alexandra Badeas "Extremophil", Clemens J. Setz' "Vereinte Nationen" sowie eine Inszenierung von Pinar Karabulut, deren Stücktitel noch nicht verraten werden darf. Den Abschluss im Mai macht ein Stadtprojekt des Jungen Volkstheaters unter dem Titel "Wien 5 - Die Kunst der Nachbarschaft". Die Rote Bar bespielen etwa die "Volkstheatergespräche" mit Corinna Milborn sowie das neue Format "Trojanow trifft", bei dem Autor Ilija Trojanow mit Persönlichkeiten aus Wissen, Kunst und Medien zusammentrifft.

Das Haupthaus präsaniert kann das Publikum am 16. September bei einem Tag der offenen Tür näher erforschen und auch auf "Tuchfühlung mit dem Ensemble" gehen. Dieses wurde übrigens um drei Schauspieler erweitert: Mit Isabella Knöll, Peter Fasching und Sebastian Pass kehren lauter gebürtige Österreicher aus ihren ersten Engagements in Deutschland in die Heimat zurück.

Zur Bekanntgabe einer Auslastungszahl für die laufende Spielzeit wollte sich der kaufmännische Direktor, Cay Stefan Urbanek, "nicht hinreißen lassen", man bewege sich etwa auf dem Vorjahresniveau irgendwo zwischen 66 und 69 Prozent und habe "noch ein paar Wochen Theater zu spielen".