Sie füllen mit Ihren Bauchredner-Shows große Hallen. Publikumsliebling ist Ihre Schildkröte Josie, die Sie anschmachtet. Sie liefern sich aber auch mit dem Adlerfasan Frederic Freiherr von Furchensumpf amüsante Wortwechsel. Wie kommt man überhaupt auf die Idee, sich mit einer Puppe zu streiten?

SASCHA GRAMMEL: Comedy entsteht generell durch Konflikte. Im Alltag ist es doch auch so. Wenn man sich über gewisse Dinge unterhält und nicht einig wird, entstehen wirre Gedankengänge und lustige Situationen. Außerdem war ich schon immer ein Fan der Muppetshow und habe alles, was Jim Henson gemacht hat, aufgesogen. Als ich dann gezaubert habe, ist mir irgendwann ein Buch über das Bauchreden in die Hände gefallen. Da ist mir die Idee gekommen, das auch auf der Bühne zu machen.

Frederic war Ihre erste Figur und hat eine typisch freche Berliner Schnauze. Leben Sie mit ihm eine Seite aus, die Sie im normalen Leben nicht zeigen würden?

GRAMMEL: Ich nutze meine Puppen nicht für Dinge, die ich sonst nicht sagen würde. Die Show ist nicht dazu da, um den Zeigefinger zu heben. Ich mache kein Kabarett. Es soll bewusst nur leichte Unterhaltung sein. Aber natürlich steckt in jeder Puppe auch irgendetwas von mir. Es ist wie bei einem Schauspieler. Wenn er in der Rolle wütend ist, dann ist wahrscheinlich so wütend, wie er es auch privat wäre. Nur das er es eben spielt. So ist es auch bei mir. Wenn ich mit einem Baby spreche, werde ich ein wenig kindlicher. Wenn ich mich mit Frederic streite, dann kommt es eben zu wilden Wortwechseln.

Grammel mit Bambi 2013
Grammel mit Bambi 2013 © (c) EPA

Woher nehmen Sie die Ideen für die Puppen?

GRAMMEL: Nach Fredric mit seinem frechen Schnabel brauchte ich einen niedlichen Gegensatz. Zunächst habe ich an eine Schnecke gedacht, weil ich etwas Langsames wollte. Beim Umsetzen sind wir mit dem Haus aber an Grenzen gestoßen. Dabei sind wir auf eine Schildkröte gekommen, dafür gab es allerdings kein Thema. Ich wusste nicht, worüber ich mich mit einer Schildkröte unterhalten sollte. Die Idee kam mir dann an einer Tankstelle, als ich meine Bankkarte mal wieder nicht richtig eingesteckt habe. Ich hatte damals gerade viele Auftritte bei Banken und so entstand die Idee mit Josie als Geldautomat.

Und wie war es zum Beispiel bei Professor Hacke?

GRAMMEL: Ich war als Kind ja sehr mopsig und hatte damit auch ein wenig zu kämpfen. Nicht, dass ich keine Freunde hatte. Aber ich war immer der Letzte, der beim Sport ausgewählt wurde. Das macht schon etwas mit einem. Und deshalb hatte ich das Bedürfnis über das Essen zu reden – am besten mit dem Essen selbst.

Hat jede Figur einen festen Lebensplan und Charakter?

GRAMMEL: Wir haben am Anfang für jede Puppe eine fiktive Biografie aufgeschrieben, um herauszufinden, wie die zu mir stehen und zu anderen Themen. Wie geht er zum Beispiel mit einem Zwischenruf aus dem Publikum um. Inzwischen habe ich ein Teil davon vergessen. Aber ich habe die Wortwahl inzwischen so verinnerlicht und bin sehr fest in den Rollen.

Sie lachen ja dabei sehr viel und auch sehr viel über sich...

GRAMMEL: Ja, auch privat.

Sie lachen auf der Bühne ausschließlich über Ihre Fehler und die Fehler der Figuren. Reizt es Sie nicht, über andere zu lachen?

GRAMMEL: Einfacher ist es, sich über andere lustig zu machen. Dafür muss man ja nur die Zeitung aufschlagen. Ich habe das am Anfang auch gemacht. Bis ich mir die Frage gestellt habe: Wer bin ich eigentlich, dass ich mich über andere lustig mache, wenn die mir gar nichts getan haben? Also habe ich die Sachen aus dem Programm gestrichen und festgestellt, dass ich das überhaupt nicht brauche. Allerdings war es schwieriger ein Zwei-Stunden-Programm zu schreiben, ohne jemand zu treffen. Irgendeiner musste es aber abbekommen. Also ich. Und so rieche ich jetzt aus dem Mund und habe ein Pferdegebiss und seltsame Haare. Es muss in meinem Publikum auch niemand Angst haben. Ich kenne Kollegen, bei denen sitzt man in der ersten Reihe und denkt nachher, vielleicht wäre ich lieber weiter hinten geblieben. Bei mir können die Menschen unbeschwert kommen und müssen nicht über Alltagsprobleme nachdenken. Es ist bewusst seichte Unterhaltung, auch wenn ich ein politischer Mensch bin.

In der Schule gibt es immer einen, bei dem steht am Ende des Jahres auf dem Zeugnis, er war der Klassenclown. War das bei Ihnen auch schon so?

GRAMMEL: Ähhhm. Ja. Es stand drauf: Er lenkt sich und seine Umgebung häufig ab. Das konnte ich schon gut, ja. Ich glaube aber, ich habe positiv gestört.

Grammel mit Josie und Frederic
Grammel mit Josie und Frederic © RTL

Wie lange dauert es, bis man so mit der Puppe verschmilzt, dass sie lebendig wirkt?

GRAMMEL: Das ist unterschiedlich und hat viel mit dem Puppenspiel zu tun. Ich hatte ja keine Schauspielausbildung, deshalb habe ich am Anfang eigentlich nur Witze erzählt. Es war mehr ein nebeneinander. Das war auch sehr komisch, aber noch sehr begrenzt. Er nach und nach wurde das Puppenspiel besser. Es hat gedauert, bis man den Figuren abgenommen hat, dass sie leben. Bis sie atmen, sich bewegen, sich auch mal kratzen, die Augen bewegen. Auch technisch wurden die Puppen immer besser und damit lebendiger. Damit wurde ich dann auch besser, bis ich dann auch selbst darüber lachen konnte. Ich kann das Lachen über einen Witz jetzt auch reproduzieren. Immerhin stehen ich ja jeden Abend auf der Bühne und manche Dinge finde ich auch nicht unbedingt komisch, weil ich sie schon so oft gesagt habe. Manchmal entstehen aber auch Momente, da hole ich mir neue Energie von Zuschauern, die ich gerade sehe. Bei Frederic kann ich inzwischen einen Zuschauer anschauen und mir dann etwas überlegen. Bei neuen Puppen dauert das natürlich noch etwas. Bei Mietze, dem Fisch, bin ich zum Beispiel noch nicht über den Punkt hinweg, dass ich überhaupt nicht mehr über das Puppenspiel nachdenke. Bei ihrer Technik muss ich mich noch konzentrieren. Sie hat eine kleine Fernsteuerung mit wahnsinnig vielen Knöpfen und einem Joystick. Und wenn ich da nicht aufpasse, schaut sie in die falsche Richtung. Das ist wie bei einem Instrument. Das dauert bis es perfekt ist, gut klingt und man Gefühl in den Ton legen kann. Professor Hacke hat drei Jahre gedauert, bei Mitze bin ich mit den Proben jetzt bei eineinhalb Jahren.

Sie treten noch immer in ihrem Berliner Heimatbezirk Spandau-Hakenfelde im Kulturhaus vor 140 Zuschauern auf, um ihre Show auszuprobieren. Die Berliner gelten ja als besonders ehrliches und gnadenloses Publikum. Wie gut können Sie denn damit umgehen, wenn mal ein Gag verreckt?

GRAMMEL: Gar nicht gut. Früher hat mich das echt komplett aus der Bahn geworfen. Weil ich es persönlich genommen und dachte, die Leute mögen mich nicht. Dabei muss man nur einsehen, dass sie den Gag nicht mögen. Die sind schließlich zu mir gekommen und wollen mich sehen. Es ist nicht leicht, das zu trennen. Man steht da vorne und gibt viel von sich preis. Jeder kennt das aus dem privaten Kreis. Man erzählt einen Witz und keiner lacht. Spätestens nach dem zweiten Witz ist man dann ruhig. In einem großen Saal gibt es immer einen, der lacht. Bei 140 Leuten kann es jedoch passieren, dass es wirklich niemand lustig findet und dann entsteht so eine Stille. Deshalb weiß ich: Wenn Sie im Kulturhaus lachen, dann ist es für die Tour perfekt.

In der Show wirkt es gelegentlich so, als hätten Sie sich versprochen, den Text vergessen oder eine technische Panne. Wie viel ist wirklich improvisiert in solch einer Show?

GRAMMEL: Ich gehe schon mit der Idee auf die Bühne, dass es 100 Prozent werden und das Programm so zu spielen, wie ich es einmal geübt habe. Aber dann passieren eben immer mal wieder Dinge und wenn die Improvisation dann komischer als der ursprüngliche Text ist, dann baue ich sie auch in das weitere Programm ein. Manchmal klappt das aber auch nicht. Es sind vielleicht 80 Prozent geplant. 20 Prozent schwimme ich so herum. Das lasse ich aber auch zu.

Grammel mit Josie
Grammel mit Josie © RTL

Zum Schluss natürlich noch die wichtigste Frage: Wann heiraten Sie Josie?

GRAMMEL: Ich habe es ja schon einmal versucht. Da hat es nicht geklappt. Nach dem Heiraten dachte ich: Was kann man machen? Deshalb ging jetzt nur das Josie-Baby. Ich bin gedanklich aber schon in der nächsten Show und da wird etwas traurig. Ich verrate aber noch nichts. Sie wird aber nicht sterben, keine Angst.