Weil der Großfürst die totale Aufklärung dekretiert hat, werden Feen, Faune, Zauberer & Co. mit sofortiger Wirkung des Landes verwiesen. Eine Sternstunde für Klein Zaches: Die Fee Rosabelverde macht das verwachsene Geschöpf zum Instrument ihrer Rache. Indem sie sein Umfeld mit Verblendung schlägt, erreicht sie, dass der parasitäre Außenseiter ohne eigenes ZutunzumGesellschaftsliebling und politischen Aufsteiger avanciert, alle Macht an sich reißen kann und den Staat an den Abgrund führt.Nur ein junger Poet, dem er die Angebetete ausgespannt hat, erkennt die wahre Monstrosität des Emporkömmlings.

E. T. A. Hoffmann, Großmeister des Grotesken, hat das Kunstmärchen „Klein Zaches genannt Zinnober“ 1819 veröffentlicht. Knapp 200 Jahre später ist die Dramatisierung der Erzählung nun am Wiener Volkstheater zu sehen, inszeniert von einem weiteren Kapazunder des Fantastischen, Viktor Bodó. Der ungarische Regisseur, der bereits dem Grazer Schauspielhaus unter der Intendanz Anna „Feenkrise“ Rechnung getragen. Den aktuellen Referenzrahmen aber setzt Bodó vor allem visuell: Hohe Zäune, enge und enger werdende Räume sorgen für Beklemmung. In ihnen entfaltet Bodó das für ihn so typische Effekttheater, um von der Biegsamkeit der Wahrheit zu erzählen; Theaterdonner, -nebel, -wind sind ebenso im Dauereinsatz wie ein Live-Videoteam, das die Schauspieler bis in die Garderoben verfolgt, die Kulissenschieber und ein vierköpfiges Musikerensemble.

Erstaunlicherweise sorgt dieser ganze Überwältigungsapparat für zarte, nachtschwarz magische Konzentration. Und auch, wenn die fast filmische Erzählung zwischen Ka-meratricks und ferngesteuerten Reifröcken bisweilen etwas verschwimmt: Fantastisch, wie Bodó die Tonalität der für Hoffmann so typischen Nachtschattenkomik trifft. Natürlich unterstützt von einem groß aufspielenden Ensemble, allen voran Gabór Biedermann, der seinem Zaches die aufreizende Mistkerlhaftigkeit verleiht, die trotzige Losertypen gern vor sich hertragen. Claudia Sabitzer, Jan Thümer, Thomas Frank liefern glänzende Karikaturen autoritärer Obrigkeit, Günter Franzmeier und Anja Herden amüsieren als verfeindete Zauberwesen. Verdienter Jubel nach zwei kompakten Theaterstunden.