Der Beginn wirkt denkbar harmlos: Vier Schauspieler in einer Art Wohnküche erzählen ihre Kindergeschichten, die, wie so oft, zugleich Familiengeschichten sind: typisch biografische Anekdoten, wie es scheint, von Geschwistern, strengen Vätern, grausamen Tanten.

Nach und nach schält sich etwas anderes aus den scheinbaren Harmlosigkeit: Berichte von Krieg, Revolution, Folter, Flucht. Es ist eine Geschichte des vergangenen europäischen Jahrhunderts, sie führt nach Odessa, Wladiwostok und Thessaloniki, nach Auschwitz, Bukarest, Qamishli, Heidelberg, Damaskus, Paris. Es sind Exilgeschichten, die Ramo Ali, Rami Khalaf, Akillas Karazissis und Maia Morgenstern da in ihren Muttersprachen Kurdisch, Arabisch, Griechisch, Rumänisch erzählen, sie schildern eine Erfahrung Europas, die dem glücklich Sesshaften fremd ist.

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Der Schweizer Theatermacher, Soziologe und Regisseur Milo Rau hat "Empire" aus den authentischen Geschichten seiner Schauspieler gebaut und setzt ihre Geschichten in den Kontext der antiken Theatererzählungen: die Fremde Medea, der Heimkehrer Agamemnon werden da mit Ali, Khaled, Karazissis und Morgenstern zu Zeugen einer Europabetrachtung, die den Kontinent als historischen und aktuellen  Migrationsraum begreift. 120 atemberaubende Minuten vergehen wie im Flug, am Ende ist man von dem Verdacht überwältigt, dass man von Europa keine Ahnung hat.