Warte, warte nur
ein Weilchen,
bald kommt Haarmann auch zu dir,
mit dem kleinen
Hackebeilchen,
macht er Schabefleisch
aus dir ...“

Der Volksmund sang nach einer Operettenmelodie rasch ein groteskes Liedchen auf Fritz Haarmann, über den 1924 mit dem Fallbeil gerichtet worden war. Und die Geschichte des Serienmörders übersetzten auch andere in Kunst: Fritz Lang in Zitaten in seinen Stummfilm „M“. H. C. Artmann in ein paraphrasierendes Gedicht. Alfred Hrdlicka in Radierungen und ein Fries. Romuald Karmakar in den Film „Der Totmacher“, eine Paraderolle für Götz George.

Nun nahm sich Spiegel-Redakteur Dirk Kurbjuweit des „Werwolfs von Hannover“ an, der von 1918 bis 1924 nachgewiesen 24 junge Herumtreiber (und wohl mehr) ermordete, indem er ihnen beim Geschlechtsakt die Adamsäpfel durchbiss und in der Folge abgetrennte Köpfe im Fluss Leine versenkte, Gedärme stückweise auf Gemeinschaftsklos hinunterspülte und Innereien in Eimern außer Haus schaffte.

Der 57-jährige Autor rückt allerdings nicht Fritz The Ripper in den Fokus, sondern die Jagd auf ihn, in Person des fiktiven Ermittlers Robert Lahnstein. Der hat mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen und verheddert sich im Gestrüpp von Gerüchten und Sabotage aus den eigenen Reihen.

Kurbjuweit erzählt nicht nur eine Geschichte, sondern Geschichte: jene der Weimarer Republik, zwischen letzten Monarchisten, überforderten Proletariern und ersten Hitlereien auf tönernen Füßen stehend. Mit stilsicher rhythmisierter Sprache und kluger Struktur mit Intermezzi, in denen der Täter oder seine Opfer ihre Sicht der Dinge ausbreiten, komponiert der Autor einen fesselnden Krimi über Deutschlands grausamsten Verbrecher und spannt zugleich ein politisch-soziales Panorama der fragilen Zwischenkriegszeit auf.

Buchtipp:

Dirk Kurbjuweit: "Haarmann". Penguin. 320 Seiten, 22 Euro.
Dirk Kurbjuweit: "Haarmann". Penguin. 320 Seiten, 22 Euro. © KK