Alfred Goubran, der in Graz geboren wurde, in Kärnten aufgewachsen ist und in Wien lebt, ist als Autor sehr produktiv. Sehr häufig kritisierte er den Literaturbetrieb - er selbst war Gründer und Chef der "edition selene" - und erregte mit dem 2002 erschienen Buch "Der Pöbelkaiser", in dem er sich vor allem die "Altachtundsechziger" vorknöpfte, einiges Aufsehen. Nun erscheint im Braumüller Verlag mit "Herz" ein neues Werk.

Im Untertitel steht nicht etwa "Roman", sondern "Eine Verfassung", wodurch verschiedene Möglichkeiten der Deutung eröffnet werden. Die Hauptfigur ist Insasse einer Psychiatrie. "Eine Verfassung" könnte sich auf den Geisteszustand des Helden, eines ehemaligen Theaterdisponenten namens Muschg beziehen. Übrigens gibt es außer dem Namen keine Anspielungen auf den bekannten Schweizer Autor Adolf Muschg. Der "Patient" verfügt über eine erstaunliche Sprachgewandtheit und eine äußerst bewegliche Fantasie in der Art, wie er die Wirklichkeit wahrnimmt. Für Ekelhaftes in seiner Umgebung, vor allem Gerüche, scheint er besonders empfänglich zu sein. Hieronymus Bosch könnte ein entfernter Verwandter von ihm sein.

Klarheit

Muschg ist dabei, sich einigermaßen Klarheit über seine Existenz zu verschaffen, was kaum gelingt, zumal er nicht als eine fassbare Persönlichkeit erscheint, sondern womöglich gespalten in zugleich verschiedenen Existenzformen lebt. Immerhin wird deutlich, dass er Theaterdisponent gewesen ist, dass ihm sogar eine Produktion übertragen worden ist. Was ihn aber überfordert hat. Burnout könnte die Ursache für die Einlieferung in die Psychiatrie gewesen sein. Die Atmosphäre dort hat Ähnlichkeiten mit rätselhaften Zuständen, wie sie Franz Kafka geschildert hat.

Ordnung in den Ablauf seiner Tage bringt Schwester Anke, die er wegen ihres Geruchs verabscheut, der "große blabla", wie er den Stationsvorsteher nennt, und eine Beschäftigung, der er nachkommen muss: Es geht um Registratur und Dienstpläne, die er angeblich ausfüllen muss.

Punkte scheut der Autor, er trägt, was er loswerden will, in Form einer gehetzten Suada vor. Man muss ihm hohe Insiderkenntnis zugutehalten, er fühlt sich ein in den Wahn und in die wechselnden Denkzustände des gescheiterten Theaterdisponenten Muschg, zugleich ist sein Bewusstsein nicht völlig davon überschwemmt, denn er reflektiert unentwegt und formuliert - meist scharfe, vernichtende - Urteile über die Welt.

Der Eindimensionalität entgeht Goubran, indem er sich entschließt, irgendwann einmal doch auch noch andere Stimmen vernehmbar zu machen. Sie stammen von Insassen in anderen Zimmern, von reichlich sonderbaren Individuen, die zwar Abwechslung in den Ablauf des Vorgebrachten bringen, aber nur ein wenig andere Varianten des Wahns beisteuern.

Die Lektüre wird nicht langweilig. Man muss sich allerdings damit abfinden, dass man auf der Stelle tritt, bis es irgendwann einmal zu Ende ist.

Alfred Goubran: "Herz. Eine Verfassung", Braumüller Verlag, 192 Seiten, 20 Euro