Endlich ist es soweit: Einer der großen Gestalten, welche die geistige Atmosphäre der Zweiten Republik mitprägten, ist eine große Biografie gewidmet worden. Es geht um Adolf Holl, den unbotmäßigen katholischen Priester und Universitätsdozenten, der in seinem Bestseller „Jesus in schlechter Gesellschaft“ bestritt, dass der Nazarener eine Kirche gründen wollte. Die Art und Weise, wie Holl von der Obrigkeit gemaßregelt wurde und wie daraus einer der wichtigsten Publizisten des Landes hervorging – das alles und vieles mehr gehört zu dieser außergewöhnlichen Existenz.
Harald Klauhs, Literaturchef der Tageszeitung „Die Presse“ zeichnet in seinem Buch „Adolf Holl, Bilanz eines rebellischen Lebens„ den Weg des meist freundlich-ironischen, bisweilen auch zornmütigen Theologen, Schriftstellers, TV-Stars und Gesellschaftsmenschen Holl nach. Dabei gelingt eine tiefgründige Studie der Persönlichkeit, eingebettet in ein beeindruckendes Zeitpanorama. Die Dichte des ausgebreiteten Materials ist das Ergebnis umfassender Recherchen, erstaunlich die Fülle kircheninterner Dokumente zum „Fall Holl“.

Innere Kämpfe

Gleichzeitig werden aus Holls Tagebüchern innere Kämpfe, mit dem „Heiligen“, aber auch dem Sexus, offengelegt, ohne eine billige Schlüssellochperspektive einzunehmen. So entsteht ein Bild, das den Protagonisten weder schont, noch ihn skandalisiert, was bei Holls Liebe zu den Frauen und dessen Lust an der Provokation nahegelegen hätte. Im Übrigen lebt der Porträtierte seit Jahrzehnten mit einer Gefährtin zusammen, welche die große Liebe seines Lebens wurde.
Klauhs demonstriert auch, dass Holls Charisma nicht unwesentlich in seiner Fähigkeit gründet, im besten Sinne des Wortes populär zu sprechen, während er literarisch durch viele Welten reist, geografisch, historisch, spirituell, politisch. Eines der Verdienste der Biografie von Klauhs besteht darin, diese Spannweite auszubreiten, ohne sie unter den Details verschwinden zu lassen: „In seinem ganzen Leben und Werk geht es Holl um die Entlastung der modernen Seele. Die Glücksverheißungen der Moderne scheinen mindestens so fragwürdig wie die Narrative der Religionen. Warum also den Glauben wechseln?“

"Dämonengott"

Diese Einstellung führt, wie Klauhs anhand von Holls bisher letztem Werk, „Braunau am Ganges“, klarmacht, zu einer „Art von Nachlässigkeit im Umgang mit Göttereien“. Denn es sind gerade die ständig aufflammenden dogmatischen Verhärtungen, die mit sich bringen, dass der Westen mit dem „Dämonengott Hitler“ nicht fertig wird. Und so endet das wunderbar unprätentiöse Buch mit dem schönen Resümee: „Ein Leben zwischen Himmelserscheinung und Erdenschwere“.