Er ist ein Literat von Weltgeltung, daheim im unendlich weiten Feld der Sprache. Dichter und Dichterinnen, langjährige Weggefährten aus frühen und turbulenten Forum-Stadtpark-Zeiten, gratulieren Peter Handke mit Wortgaben zu seinem 75. Geburtstag.

Elfriede Jelinek, Literaturnobelpreisträgerin, schickte uns diese Handke-Würdigung anlässlich seines Geburtstages:

Dieser Dichter kennt die Fahrpläne und weiß, welchen Zug er nehmen und wo er ein- und aussteigen muß. Und doch sieht er auf der Fahrt alles, als hätte kein andrer es je gesehen. Aber nicht als ein Einzelner oder Einziger, der jedem andren das Recht abspricht, es genauso zu sehen wie er, sondern er sieht es gleichzeitig als etwas, das einerseits noch nie jemand vor ihm gesehen hat, das er aber andrerseits gern mit anderen teilt, damit auch sie es sehen. Er gibt es ihnen ja. Da ist kein Bewußtsein von Einzigartigkeit, sondern vielleicht von Erstartigkeit. Nicht wie ein Kind beim Wettrennen schreit: Erster! Sondern als könnte nichts, was der Autor sieht, nicht von ihm als erstem gesehen worden sein, obwohl es da ist, für alle.

Valerie Fritsch:

Peter Handke hat meine Empfänglichkeit für Sprache und Durchlässigkeit für Bilder, aber auch meine Welt hin und wieder ganz pragmatisch geprägt. „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ trieb in Jugendjahren einen Keil zwischen mich und einen Verehrer: Er dachte, es handelte sich um ein Fußballfachbuch – das fand ich unverzeihlich. Herzlichen Glückwunsch!

Josef Winkler:

Friedrich Hebbel hat in seinem Tagebuch geschrieben, dass bei einem großen Schriftsteller jeder Satz ein Menschengesicht hat. Das kann Peter Handke, der einmal von einem Starjournalisten gefragt wurde, ob er sich für ein Genie hält. Peter Handke hat abgewunken und gemeint: „Ich bin auch kein Schriftsteller, ich schreibe, ich habe geschrieben, ich werde geschrieben haben!“ An diese Sätze von Friedrich Hebbel und Peter Handke denke ich oft, wenn ich meine aus Pappmaché gepressten Bleistifte aus Isfahan spitze.

Antonio Fian, Literat und Minimalist
Antonio Fian, Literat und Minimalist © APA/Herbert Neubauer

Antonio Fian: DANDKE; HANDKE

Anna Baar:

Peter Handke ist Inbild des Schreibenden, nein, Inbild einer Haltung der staunenden Hingabe, eines Schauens, das im Schreiben ja nur mündet – um zu bewahrheiten. Oder ohne Zweck. Das ist kein aus der Zeit Gefallener, sondern ein im rechten Zeitmaß Vorangehender. Halten wir gefälligst mit! Herzlich Anna.

Barbara Frischmuth:

Lieber Peter, möge der Herbst auch in Deinem 76. Jahr die Fülle seiner Pilze mit Dir teilen und die Obstdiebin Dir einen Weg durch die Wälder weisen, den Du noch nie gegangen bist. Im Winter schlafen selbst die höchsten Bäume. Mit allen guten Wünschen, Barbara.

Literatin Barbara Frischmuth
Literatin Barbara Frischmuth © Christoph Huber

Ilma Rakusa:

Gut, dass Peter Handke unbeirrt seine langen, langsamen Sätze schreibt und die Aufmerksamkeit auf Kleines und Kleinstes richtet. Eine Schule des Sehens, Hinhörens, Staunens und Verweilens. Des Fragens auch, das sich nicht in falsche Gewissheit flüchtet. Danke, und bitte weiter so.

Wilhelm Hengstler:

Lieber Peter! Es gab schon damals keinen Zweifel, dass Du uns in den meisten Dingen über warst. Aber in manchen warst du auch nicht so verschieden von uns. Z. B., als du das Geschenk deiner Mutter, diesen Kamelhaarmantel, schwarz umfärben ließest. Den trugst du dann auch auf dem Foto in der FAZ, die ich 1966 in Teheran gekauft hatte: Überraschung! Du, mein Freund, warst berühmt geworden. Die Kritik der „Hornissen“, endete so: „Ein Autor, von dem man noch hören wird“ . Seither gab’s noch mehr von Dir zu hören und vor allem zu lesen. Und das wird gewiss nicht aufhören, bloß weil du 75 wirst. Alles Gute!

Olga Martynowa:

Die Stärke des Ungeschützten – so ist die Welt in Handkes Erzählen, eine Welt, die durch ihre Schutzlosigkeit stark ist und ihre Bewohner zu beschützen versucht. Eine wunderbare, jedem Zeitgeist standhaft Widerstand leistende Geste. Lieber Peter, vielen Dank dafür!

Klaus Hoffer:

An die erste Handke-Lektüre erinnere ich mich lebhaft, als wäre es gestern gewesen. Es war „Die Überschwemmung“, abgedruckt in den „manuskripten“. Nur so kann geschrieben werden, dachte ich, Kafka im Kopf. Ein Satz ist mir stets präsent: „Die Fäden der Luft haben sich um ihn gelegt.“ – „Wie macht er das nur?“, fragte ich mich, und las das Kapitel meiner Mutter vor, die nichts verstand. – Und dann der „Tormann“ und das „Wunschlose Unglück“. Eins eindrücklicher als das vorhergehende!

Arnold Stadler:

Verwandeln durch Erzählen, so hieß das Symposium an der Universität Wien, das Aufgehobenes und Geborgenes aus dem Bleistiftgebiet zur Sprache brachte. Peter Handke ist ein großer Wanderer und Schauender, der von da seine Pilze und Sätze mitbringt. Damit ist das Ganze im Fragment gesagt: wie Handke auf dem Weg seiner Sprache die Welt verwandelte, die zuerst ihn verwandelt hat. Sein Staunen wird immer auch ein wenig mit dem Staunen eines Kindes blutsverwandt sein, wenn es „auf der ganzen Welt!“ sagt. Wenn es etwas Schönes entdeckt oder erfahren hat auf der anderen Seite seiner Augen. Und in der Mitte die Augen des Menschen, der dies sieht, als die Seele des Ganzen. Seine Bücher sagen Ja. Und sind wunderbar erwartungsvoll. Lässt sich Schöneres sagen? Von einem, der lebt und schreibt? Ich wünsche Peter dem Großen Glück und Segen bei seinen weiteren Sonnenumrundungen.

Huldigungen, gesammelt von Werner Krause und Andreas Unterweger