Sie waren schon vor vielen Jahren einmal Gast beim Bachmann-Preis?
JOHN WRAY: Ich war um die 20 Jahre alt, zu der Zeit habe ich in Wien studiert. Ich saß im Publikum, fand das alles sehr exotisch und habe mir gedacht: Tu dir das nie im Leben an, setz dich nie so aus (lacht).

Warum haben Sie sich das jetzt angetan?
Das war ein Zufall. Ich habe es mir schon länger überlegt. Aber erst, als ich nach einer Lesung zufällig Sandra Kegel (Anm.: eine der Jurorinnen) traf und sie das vorgeschlagen hat, hatte ich den Mut dazu, etwas auf Deutsch zu schreiben.

War es so anders, als auf Englisch zu schreiben?
Nicht so anders, wie ich gedacht habe. Es hat schon länger gedauert, weil ich natürlich keine sprachlichen Fehler machen wollte. Aber vorher dachte ich mir, ich müsste mich durch ein Gebüsch kämpfen. Dabei bin ich einfach einen kleinen Fußpfad entlanggegangen. Es war also nicht mühsamer und schmerzhafter als sonst auch.

Deutsch hat aber immer zu Ihrem Leben gehört, oder?
Ich bin mit der deutschen Sprache aufgewachsen. Meine Oma war viel bei uns, sie hat nie ein Wort Englisch gelernt. Aber man wird älter und plötzlich will man nicht mehr und in meinem Fall ist die deutsche Sprache dann ein bisschen versickert. Mit zwanzig ging ich nach Wien und da war ich sehr schockiert, wie schlecht mein Deutsch war. Deshalb habe ich dann auch Anglistik studiert und nicht Germanistik. Ich habe mir ziemliche Mühe gegeben, mein Deutsch wieder zu verbessern. Beim Schreiben ist es aber vielleicht ein Vorteil, wenn man gewöhnt ist, vorsichtiger mit der Sprache umzugehen und genauer aufzupassen.

Könnten Sie sich vorstellen, künftig mehr auf Deutsch zu schreiben?
Wenn man mich hier zerrissen hätte, dann hätte es durchaus sein können, dass ich dann länger nichts mehr auf Deutsch geschrieben hätte. Der deutschsprachige Autor in mir hat Klagenfurt also gebraucht. Aber ja, einen ganzen Roman auf Deutsch zu schreiben, wäre möglich, nur würde das mindestens ein oder zwei Jahre mehr Zeit bedeuten.

Und nachdem Sie mir einmal erzählt haben, dass Sie eigentlich oft ungern schreiben . . .
. . . man quält sich halt durch.

Aber warum macht man etwas, was einen quält?
Für mich ist nicht unbedingt das Leben eines Schriftstellers, sondern das Leben eines Künstlers reizvoll, diese Vorstellung hat mich seit meiner frühesten Kindheit fasziniert. Ich habe alles Mögliche versucht, habe lange Musik gemacht und auch gemalt. Der Cousin meiner Mutter war der Maler Kurt Kocherscheidt. In Wien habe ich in seinem Atelier gewohnt und da dann auch aufgehört zu malen, weil ich gesehen habe: So macht man es wirklich (lacht).

Besitzen Sie Werke von ihm?
Meine Mutter hat, glaube ich, schon in seiner ersten Ausstellung ein Bild gekauft, ich bin mit seinen Sachen aufgewachsen. Bei mir in Brooklyn hängen auch ein paar Arbeiten von ihm.

Also wurde es dann ein Leben als Schriftsteller . . .
Das Einzige, wo ich nicht den Eindruck gehabt habe, dass ich andere imitiere, war das Schreiben. Und das hat auch eine Zeit lang gedauert, am Anfang waren meine Sachen ganz schlecht. Aber man setzt sich ja auch nicht ans Klavier und spielt gleich Sonaten.

Ist ein Leben in zwei Welten hilfreich beim Schreiben?
Ja. Man fühlt sich nirgends vollkommen daheim, immer ein bisschen am Rand der Dinge und natürlich ist das eine interessante Perspektive.

Wie sehr fühlen Sie sich eigentlich als Kärntner?
Als Kind hätte ich sofort gesagt: Natürlich bin ich Kärnner. Während des Studiums kam ich mir dann überhaupt nicht europäisch vor. Heute ist es ein Genuss, Kärntner zu sein. Aber natürlich bin ich auch Amerikaner, halt vielleicht ein seltsamer Amerikaner (lacht).

Was ist das Amerikanische an Ihnen?
Als ich in Berlin lebte, hat man gemeint, dass ich zu viel herumscherze und aus allem einen Witz mache. Mein Humor ist, glaube ich, sehr amerikanisch.

Vergeht den Amerikanern angesichts der Politik im Land nicht langsam das Lachen?
Man versucht, darüber zu lachen, aber dieses Lachen tut weh. Schauen wir einmal, wie es weitergeht. Das hängt wohl von den Wahlen ab, die in eineinhalb Jahren im Kongress und im Senat stattfinden. Man traut sich zu hoffen, dass die Republikaner aufgrund der Unbeliebtheit des Präsidenten stark verlieren werden und falls die Demokraten wieder eine Mehrheit hätten, könnten sie mit einem Impeachment-Prozess anfangen. Bis dorthin werden die Republikaner das blockieren, ganz egal, wie sehr sie ihn hassen.

Sie haben jetzt live die Kritik im deutschsprachigen Raum kennengelernt. Wie sieht es mit der Literaturkritik in den USA aus?
Sie kann sehr gemein sein. Aber etwas Ähnliches wie den Bachmann-Wettbewerb gibt es nicht, mein Lektor versteht noch immer nicht, was ich hier eigentlich gemacht habe.

In den USA wird der Preis keine Rolle spielen, oder?
Mein Lektor und mein Verlag werden sich freuen, obwohl ich vorher gar nicht gesagt habe, dass ich das mache. Viele auch gebildete Amerikaner würden Österreich auf einer Landkarte wahrscheinlich sowieso erst einmal gar nicht finden.