"Erleichterung", sagt Verena Dürr auf die Frage, was ihre erste Reaktion auf die Einladung zum Ingeborg-Bachmann-Preis war. Die 34-jährige Wienerin, die nach einem Studium der Medienkunst erst über verschiedenste künstlerische Gattungen zur Literatur gefunden hat, lebte bisher "gar nicht in dem Gefühl, als Autorin präsent zu sein", erklärt sie.

Das liegt nicht nur daran, dass sie nach ersten Publikationen in Anthologien und Beiträgen für Ö1 noch ganz am Anfang steht, sondern vor allem an ihrer künstlerischen Laufbahn, die sie selbst als "Fleckerlteppich-Biografie" bezeichnet. In der Literatur fühle sie sich zwar mittlerweile "spät, aber doch" zu Hause, doch auch jetzt "brauche ich immer wieder einen Ausfallschritt in ein anderes Medium", gesteht sie. Manchmal kann es reichen, Literatur vorzutragen, am liebsten mit Musik. "Sobald man sie spricht, verändert sie sich", weiß Dürr, die ihre Lyrik auch unter dem Namen venerasinn per musikalischem Lo-Fi-Eigenbau am Laptop als "spoken-word Stücke" zur Aufführung bringt.

Neben dem Schreiben ist sie Teil des "Poesiepop"-Duos Bis eine Heult. "Ein Hörstück würde ich nicht als Buch herausbringen", sagt Dürr. Auch andere Autoren - und vor allem Autorinnen - vertont sie, derzeit etwa Gertrude Stein. "Ich versuche mir aus der Literaturgeschichte auch bewusst die Frauenfiguren herauszulesen." Marguerite Duras, Virginia Woolf, Georges Sand. Und Ingeborg Bachmann? "Ich habe keine starke Beziehung dazu - aber ihre Sprache ist eine, die sich sehr vertraut anfühlt." Nahe fühlt sie sich auch der romantischen Dichtung - "und dann brauche ich wieder einen Jandl zum Runterkommen."

Im Ausbildungsweg spielte die Literatur eine untergeordnete Rolle. Dürr hat an der Grafischen und an der Angewandten studiert - neben Medienkunst gab es auch einen Ausflug in die "Schreibwerkstatt" des Sprachkunst-Studiums - und konnte "erst anfangen, meine eigenen Ideen zu formulieren, als ich aus der Uni draußen war", ist ihr heute klar. Geldsorgen stellten sie vor die Wahl: "Team 4 (die AMS-Servicestelle für Künstler, Anm.) oder einfach ein Job." Sie entschied sich für Letzteres, heuerte beim benachbarten Edelgreißler als Küchenhilfe an und stellte sich mit dem Motto "Die Kunst ist die Kunst, die Arbeit die Arbeit" auf ein Leben als Nicht-Erwerbskünstlerin ein. "Kulturarbeit zehrt von der gleichen Energie wie die Kunst", meint sie. Also lieber Küchenhilfe, Obdachlosenbetreuerin und "Generaldilettantin".

Als sie 2015 das niederösterreichische Hans-Weigel-Literaturstipendium erhielt, gab es einen Vorgeschmack darauf, "wie viel man weiterbringt, wenn man sich ganz dem Schreiben widmen kann", sagt Dürr. 2016 wurde ihr ein Startstipendium Literatur zuerkannt und sie gewann den ersten Preis beim Kurzprosa-Wettbewerb der Akademie Graz. Dort entdeckte sie Bachmann-Preis-Juror Klaus Kastberger und holte sie nach Klagenfurt - zum "Starmania der Literatur", wie Dürr das Wettlesen schmunzelnd nennt. "Ich habe gehört, man soll sich eine dicke Haut zulegen", sie wolle aber trotzdem versuchen, "ein bisschen naiv auf die Sache zuzugehen."

Lesen wird sie einen Auszug aus ihrem ersten Buch, der nun vielleicht gar nicht mehr Teil dieses Buches sein wird. Sie erkunde noch den passenden Schreibstil, sagt sie, auch wenn der ganze Roman "schon als Bilderlandschaft vor mir steht". Ob es "schwierige" Literatur sein werde, dieses erste Buch? "Je nachdem, wie gut man sie liest", antwortet Dürr. Immerhin handle es sich inhaltlich um eine ziemlich komplexe Materie. "Es darf aber auch gelacht werden. Humor ist einfach ein gutes Stilmittel."