Zweierlei Eigenheiten sind es, die jedem Treffen, jedem Besuch in Reinhard P. Grubers urgemütlicher Bauernstube stets einen besonderen Charakter verleihen. Zum einen schüttelt er, da mag sich das Gespräch um Gott, die Welt, die Literatur oder die Höhen und Tiefen des SK Sturm drehen, Aphorismen, Bonmots und Lebensweisheiten im Minutentakt und mit größter Selbstverständlichkeit aus dem Handgelenk. Sie sind allesamt von jener außergewöhnlichen Qualität, für die sich andere Dichter und Denker tagelang den Schreibärmel verrenken. Reinhard P. Gruber denkt gar nicht daran, derlei meist doppelbödige, spontane Einfälle aufzuschreiben. „Ach, es wird mir schon wieder einfallen! Wenn nicht, dann hab ich halt Pech gehabt.“

Einzigartiger Status


Optisch unterlegt sind diese Aussagen sehr häufig mit einem kurzen, spitz- und lausbübischen Lächeln, das konsequenterweise nur eine Schlussfolgerung zulässt. Dieser so enorm vielseitige und wandlungsfähige Autor, der 1947 als Sohn eines Bergarbeiters in Fohnsdorf zur Welt kam, wird heute nicht 70 Jahre alt, sondern mitteljung.
Gewiss doch, als Ironiker und Satiriker brachte es Reinhard P. Gruber in der österreichischen Gegenwartsliteratur zu einzigartigem Status. Aber mit anderen Großmeistern des Fachs teilt er die Ansicht oder auch Gewissheit, dass die sprachliche Überzeichnung nicht selten die tauglichste Waffe ist. Um zu zeigen, wie sehr die Welt dank des menschlichen Unfugs aus allen Fugen geraten ist, um, mitunter als Akt der Notwehr, Schweres nach Möglichkeit etwas leichter zu nehmen und scheinbar Leichtem die ihm gebührende Tiefe und Schärfe zu geben.


So ist es auch müßig, zu analysieren, ob sein 1973 in die Literaturlandschaft entlassener „Hödlmoser“, längst der Gegenwartsklassiker schlechthin, nun eher der Typus eines neuen Heimatromanes oder aber der Paradefall eines Anti-Heimatromans ist und ob es sich bei Gruber um einen zeitgenössischen Adalbert-Unruhe-Stifter handelt. Das Werk ist ein wunderbarer, witziger, absurder Roman zur ebenso passenden wie unpässlichen Zeit.


Grubers Dichterblut ist, das belegen etliche seiner weiteren Bücher, kein Himbeersaft. Und augenscheinlich ist es, vielleicht nicht immer auf den ersten Blick, wie viel poetisches Blut von Robert Walser und Peter Altenberg in seinen literarischen Adern pulsiert. Mit Walser teilt er die rare Gabe und Beobachtungskunst, die es möglich macht, aus kleinen, meist unbeachteten Merkwürdigkeiten vielerlei Bemerkenswertes zu formen. Mehr noch: Gruber, der leidenschaftliche Wanderer, wirkt bei seinen einträglichen Querfeldeinstreifzügen wie eine ehrwürdige poetische Eminenz, der die Dinge, die Bäume, die Pflanzen ganz und gar freiwillig all ihre Geheimnisse zutragen und notfalls auch beichten. Ein Regen- oder Tautropfen genügt ihm für ein universelles Gleichnis.


Mit Peter Altenberg, der weitaus mehr gewesen ist als nur der Wiener Kaffeehausliterat, eint ihn nicht nur der virtuose sprachliche Feinschliff, sondern vor allem eine parabelhafte Erkenntnis. Als die Affen erkannten, dass sie Menschen werden können, begannen sie, maßlos zu saufen, um ihren Schmerz darüber zu betäuben. Es geht, wohlgemerkt und „Schilcher ABC“ hin oder „Wirtshausoper“ her, nicht ums Trinken, es geht um den schlichten Wunsch, dass die Dinge halbwegs unter sich und die Menschen einigermaßen bei sich bleiben mögen.

Vom Spötter zum Propheten


In vielerlei Hinsicht ist aus dem Spötter RP (so sein Langzeit-Kosename) der Prophet Gruber geworden. Dies betrifft vor allem die Fremdenfeindlichkeit, die er, als Forum-Stadtpark-Literat früher Stunde, schon vor mehr als vier Jahrzehnten thematisierte. Gruber, der einst Philosophie und Theologie studierte, kennt die Gesetze des Lebens, aber an all den Paragrafen sind es die kleinen Fußnoten, die ihn ganz speziell interessieren und in seinem literarischen Schaffen ihren Widerhall finden. Es umfasst alle Genres, das bis hin zu „Asterix“-Übersetzungen, dem Erfolgsmusical „Geierwally“ und dem sarkastischen Lyrikband „Zweimal 100 Gedichte gegen Gedichte“ reicht. Gedicht 117 lautet so: „Draußen vor der Tür wütet die Natur. Drinnen die Familie“. Typisch Gruber. Denn der Band war letztlich eine Protestaktion, weil er sich nie als Lyriker betätigen wollte, aber nach jahrelangem Drängen von Dichterfreunden doch nachgab.

Die gute Nachricht für Fans


Derzeit arbeitet er an einem neuen Roman. „Aber ich sammle vorerst noch Gedanken dafür. Mehr sage ich nicht. Na ja, es wird um das Leben gehen. Und da ich noch lebe, habe ich vor, das Buch noch zu Lebzeiten zu schreiben.“ Na dann! Hier spricht er, der Dichter. Alles Gute und gutes Gelingen!