Wörtlich nehmen sollte man Paul Thomas Andersons neuesten Filmtitel eher nicht. Eine „Licorice Pizza“ ist wohl ebenso ekelhaft wie sein Film wunderbar süß. Benannt ist er aber nach einem bekannten Schallplatten-Geschäft im Kalifornien der 1970er-Jahre bzw. einem Slang-Wort für die lakritzeartigen LP-Scheiben. Der oft nur P.T.A. genannte Regisseur, selbst Jahrgang 1970, entführt uns genau in diese Zeit und diese Welt. Nach dem 70er-Porno-Milieu von „Boogie Nights“ (1997) und der Thomas-Pynchon-Detektiv-Story „Inherent Vice“ (2014) wird es diesmal kein Blut geben.

Im Zentrum steht der Schauspieler Gary Valentine, ein liebenswerter Showman und Jungunternehmer mit einnehmender Persönlichkeit. Er ist 15 Jahre alt, doch das hindert ihn nicht daran, mit der zehn Jahre älteren Alana Kane zu flirten. Amüsiert von dem überselbstbewussten frechen, pickeligen Bub, begleitet sie ihn zum Abendessen und als erwachsene Begleitperson zu einem Fernsehdreh nach New York. Eine Freundschaftsbeziehung mit unklarem Ausgang bahnt sich an.

Der Plot des auf 35mm-Material gedrehten Films mäandert durch das bunte Jahr 1973, mit Gary und Alana als junge Fixsterne im warmen Kalifornien abseits von Hollywood. Das diese ziellose Zeitreise funktioniert, liegt nicht zuletzt an den beiden Hauptdarstellenden. Die Musikerin Alana Haim (*1991) spielt mit jugendlichen angestauten Ärger. Ihr gegenüber glänzt Cooper Hoffmann (*2003), der erfolgreich mit dem großen Erbe seines Vaters Philip Seymour Hoffman umgeht.

P.T.A. inszeniert nun den Sohn seiner verstorbenen Stammschauspieler und vertraut den beiden grandiosen Debüt-Darstellern quasi den ganzen Film an. Die Chemie zwischen Alana und Cooper alias Gary zündet über 133 Filmminuten immer wieder wunderbare Feuerwerke. Dagegen sind die Kurzauftritte von Stars wie Bradley Cooper,John C. Reilly, Tom Waits oder Sean Penn nur amüsante Sternspritzer. All diese Momente und vor allem Garys absurde unternehmerische Ideen vom Wasserbetten-Business bis zum Pinball-Arcade-Etablissement lassen den Film zuweilen recht episodisch wirken. Das tut der Freude jedoch keinen Abbruch an der überdeutlichen und detailverliebten 70er-Nostalgie samt passendem Soundtrack.

Die Beziehung der beiden Hauptfiguren hält „Licorice Pizza“ zusammen und ist vielleicht eine der schönsten und seltsamsten der jüngeren Filmgeschichte. Ohne den bitteren Süßholzgeschmack seines Titels erzählt Anderson seine überaus angenehme, fast kitschfreie Retro-Geschichte alles andere als vorhersehbar.