Mit Nestroys Posse "Der Zerrissene" hat die mehrfach preisgekrönte Filmregisseurin Sabine Derflinger erstmals eine Bühneninszenierung vorgelegt. Die Premiere am Landestheater NÖ in St. Pölten ist am Samstagabend freundlich aufgenommen worden. Jedenfalls hat Derflinger mit dem Protagonisten Lips etwas gemeinsam: Beide haben gleichsam die Komfortzonen verlassen.

Das Bühnenbild von Ina Peichl funktioniert klar und effektvoll: links und rechts jeweils eine Toilettentür mit Aufschrift "Ladies" beziehungsweise "Gents", dazwischen eine Treppe, die steil bergauf (oder bergab?) führt. Diese Stufen besteigt gleich zu Beginn der Schlosser Gluthammer (Michael Scherff) zu aus dem Hintergrund dringenden Klängen von Robbie Williams' "Let me entertain you" - ein bezeichnender Kontrast: hier der Hackler, dort die feiernde Society.

Der erste Auftritt des Herrn von Lips - Gerald Votava verleiht ihm einen leicht morbiden, müden Touch - gerät gleich zum veritablen Memento mori, visualisiert durch tanzende Skelette (Video: Petra Zöpnek). Tänzerisch scheint auch manch andere Passage gestaltet, etwa das Heranschleichen der trunkenen Freunde zu Tangoklängen. Helmut Stippich übernimmt sehr präsent den musikalischen Part am Akkordeon. Die teilweise gerappten Couplets leiden bisweilen trotz Mikrofon unter Textundeutlichkeit und lassen es auch an inhaltlicher Schärfe vermissen.

Auch wenn Derflingers Blick von nüchterner Diagnostik bestimmt ist, wirken manche Einfälle dann doch überzeichnet. Die Selfie-Manie der Witwe Schleier (sonst wunderbar tussig: Cathrine Dumont) etwa oder die hysterischen Anfälle des vermeintlichen Mordopfers Gluthammer ermüden letztlich. Ein flottes Freundestrio bilden Tim Breyvogel, Tobias Artner (im Schottenrock) und Stanislaus Dick. Haymon Maria Buttinger gibt einen bizarren Vetter Krautkopf, als Kathi schwankt Josephine Bloeb zwischen Güte und Genervtheit.

Wenn sich am Ende ein kitschiges "Love"-Herz herniedersenkt, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies angesichts des rumpelnden Happy Ends ein nicht ganz aufgegangenes ironisches Konzept kompensieren soll. So fühlt man sich denn auch nach knapp zwei pausenlosen Stunden ein klein wenig zerrissen in diesem zeitlich und idiomatisch schwer zu verortenden Spagat zwischen Gestern und Heute, Sozialkritik und Klamauk, Ironie und Übertreibung. Was schon wieder fast stimmig ist.