Er habe zunehmend ein Bedürfnis nach künstlerischer Heimat entwickelt, begründete Regisseur Stefan Herheim am Freitag seine Entscheidung, sich um die Intendanz des Theaters an der Wien (TaW) zu bewerben - die kurz vor Weihnachten von Erfolg gekrönt war. Er verspreche dem Opernpublikum unter seiner Ägide ab 2022 nun "nicht nur kunstvoll Süßes, sondern auch Pikantes und Scharfes".

"Es wird eine übergeordnete Dramaturgie für dieses Haus geben, die auf meiner eigenen Ästhetik fußt", machte der 47-Jährige dabei deutlich. Er plane pro Saison selbst mindestens zwei Inszenierungen am Haus zu gestalten: "Dafür werde ich meine freiberufliche Karriere als Regisseur weitgehend einstellen." Er erlebe in der internationalen Opernwelt aufseiten der Qualitäten immer wieder Dinge, die ihn befremden und teils beschämen würden - deshalb ziehe er nun die Konsequenzen. Bis dato habe er Angebote, eine Intendanz zu übernehmen, nie erhört: "Da ich die Bühnenbretter dem Büroparkett vorziehe, habe ich bisher immer abgelehnt. Mit den Jahren ist mein Bedürfnis nach einer künstlerischen Heimat aber gewachsen."

"Kein Ich, sondern ein Wir"

Neuer "Theater an der Wien"-Intendant verspricht viel Süßes und Scharfes

Dabei begreift der neue Theaterchef seine Aufgabe nicht als Egoshow: "Darauf möchte ich meine Intendanz gründen: Nicht auf einem Ich, sondern einem großen Wir. Mich interessiert nicht der Titel des Intendanten, sondern die Möglichkeit, Menschen zu einen." Ob die Zahl der Premieren angesichts der vorhandenen Mittel zu steigern sei, könne er derzeit noch nicht sagen, betonte der Neo-Theaterchef: "Manchmal ist weniger auch mehr." Eine künstlerische Leitung müsse sich jedenfalls als Kern einer Musiktheaterwerkstatt begreifen: "In diesem Sinne gelobe ich, dem Theater an der Wien treu zu dienen."

Und dann schlug bei dem nach Eigendefinition in Deutschland sozialisierten Norweger ("ein Wikinger-Piefke") ein zum neuen Heimatstandort passender freudscher Versprecher zu, als er Karl Kraus' Aphorismus "In der Kunst kommt es nicht darauf an, dass man Eier und Fett nimmt, sondern dass man Feuer und Pfanne hat" unfreiwillig zu "Man braucht vor allem Eier" paraphrasierte. Eine Umdeutung, die ebenfalls durchaus stimmig sein dürfte.

Stefan Herheim
Stefan Herheim © (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

"Wir alle wissen, dass Stefan Herheim ein Regisseur ist, der auf technischer Seite den Teams - Gott sei Dank - einiges abverlangt", konstatierte der nun bis 2022 verlängerte Intendant Roland Geyer. Herheim tritt erst 2022 im TaW an, um seinen projektierten "Ring" an der Deutschen Oper Berlin fertigzustellen. Er verstehe seine zwei zusätzlichen Saisonen dabei nicht als bloßen Appendix, unterstrich Geyer: "Ich möchte noch einmal einen Kulturpfeiler im Theater an der Wien einschlagen."

Und auch Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) zeigte sich mit der von ihm getroffenen Personalentscheidung rundum glücklich: "Das Theater an der Wien ist damit für einen positiven Wettbewerb in den 20er-Jahren dieses Jahrhunderts gerüstet", verwies er auf die gleichzeitig erfolgende Neubesetzung der Staatsopern-Spitze mit Bogdan Roscic. Und für diesen künstlerischen Wettstreit sei Stefan Herheim der Richtige: "Er ist einer der hervorragenden, herausragenden Opernmenschen, die es derzeit global gibt."