Kulturschaffende im ganzen Land zeigen sich wenig überrascht vom Ausgang der Nationalratswahl und führen das Ergebnis einerseits auf "Selbstfesselung der linken Parteien" (Gerhard Roth) und andererseits auf die "Stimmung gegen eine offene, menschliche Asylpolitik" zurück (Doron Rabinovici).

"Für mich ist das grauenhaft: Über 57 Prozent der Österreicher wählen eine rechte Partei!", sagte der Direktor des Theaters in der Josefstadt, Herbert Föttinger, im Gespräch mit de Austria Presseagentur. Er erinnerte an den seinerzeitigen Aufstieg von Jörg Haider. Es sei erschütternd, dass die Saat nach drei Jahrzehnten aufgegangen sei: "Das ist dem Haider gelungen. Kurz ist der Erfüller der rechten Idee: Er hat dieses Thema, das vorher nur die FPÖ besetzt hatte, sich zu eigen gemacht." Für den kommenden Koalitionspakt zwischen Schwarz-Blau, den Föttinger für den wahrscheinlichsten hält, erwartet er daher: "In der Fremdenpolitik wird der eine den anderen übertrumpfen wollen. Ich glaube, die Kultur ist ihnen relativ egal. Die werden sich um andere wesentliche Ministerien streiten."

Von Bockelmann über Menasse, Neuhauer und Prokopetz bis Schneyder - lesen Sie folgend, die Meinungen von heimischen Kulturschaffenden:

Peter Simonischek (Schauspieler): Ich bin froh, dass alles vorbei ist, und nun hoffe ich, dass die Politiker aus dem Pausenhof hinaus und wieder einen Weg finden, vernünftig und mit Verantwortung für unser Land zu verhandeln. Nicht wieder im Stil wie beim Wahlkampf. Was mich, auf dem Bildschirm, überzeugt hat, waren die vielen jungen Leute beim Fest von Sebastian Kurz. Das ist ein Potenzial, das unser Land jetzt braucht, denn die 'Alten' haben lang genug Zeit gehabt und nichts zusammengebracht.

Eva Rossmann (Autorin): Der Ausgang der Wahl ist für die Grünen schlecht und für Österreich auch. Nun gibt es eine starke rechtsnationale Mehrheit - das wird uns auch international nicht guttun. Und: Denjenigen, die diese Parteien gewählt haben, wird es am meisten schaden. Für die Kulturszene, besonders die freie, befürchte ich schwere Zeiten. Aber niemand soll glauben, dass wir uns unterkriegen lassen. Es wird mit kreativem, intellektuellem Gegenwind zu rechnen sein.

Gerhard Roth (Schriftsteller): Die früheren Stimmen von BZÖ und Team Stronach sind geschlossen zur ÖVP und zur FPÖ gewandert. Durch eine Selbstfesselung der linken Parteien kam es, dass diese Parteien keine vernünftigen Antworten auf die Ausländerfrage haben. Die stille Armut ist in Österreich weiter verbreitet, als wir glauben. Durch die Hilfe an Zuwanderer werden diese Menschen degradiert. Dazu kommt, dass die SPÖ einen Parteiapparat hat, der viel zu ideologisch und gefühlsmäßig aufgestellt ist, ohne die Entwicklungen der Gegenwart zu berücksichtigen. Unter den Umständen hat Kern das Optimum herausgeholt.

Josef Winkler (Schriftsteller): Das Wahlergebnis hat mich nicht überrascht. Aber was mich überrascht hat: Obwohl der Boulevard gegen die SPÖ und Christian Kern angeschrieben hat, haben sie das Niveau halten können. Erfreulich, dass die Neos und Pilz im Parlament sind. Und vielleicht rutschen die Grünen noch hinein, dann gibt es hoffentlich auch eine starke Opposition. Was sich eine kommende Regierung jedenfalls nicht leisten kann: einen Außenminister Norbert Hofer. Er hat Marine Le Pen, die die EU zerschmettern wollte, bei einem Treffen die Hand geküsst.

Florian Scheuba (Kabarettist): Ich bin schon sehr gespannt auf die angekündigte große Verwaltungsreform, für deren Gelingen sich die bisher so mächtigen ÖVP-Landeshauptleute endgültig Sebastian Kurz unterwerfen werden. Schließlich hat Österreich Veränderung gewählt. Oder nicht?

Lojze Wieser (Verleger): Die Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich bei allen Parteien und machen sichtbar, dass die Schere zwischen Arm und Reich auf das Denken Einfluss nimmt und die Menschen Angst davor haben, ihren erworbenen Wohlstand mit anderen teilen zu müssen. Nachdem keine der Parteien ernsthafte Angebote gemacht hat, wurde jenen Glauben geschenkt, die am deutlichsten blenden.

Mercy Dorcas Otieno (Schauspielerin): Es ist erschreckend. Bekommen wir eine Regierung Türkis-Blau? Ich kriege Gänsehaut. Angst ist der falsche Motor, um einen durchs Leben zu tragen - und damit spielen diese Parteien. Dabei geht es doch für uns alle ums Menschsein; um Offenheit und Menschlichkeit.

Werner Schneyder (Kabarettist, Schriftsteller): Parteiführer aller Couleurs haben versprochen, Arbeitsplätze zu schaffen, ohne dazuzusagen, dass sie auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht haben, ob es diese Arbeitsplätze in ein paar Jahren überhaupt noch geben wird. Es gab kein Wort über die digitale Revolution, die soziale Probleme auslösen wird, die gegenüber jenen nach der Industriellen Revolution ein Lercherl sind. Wenn die Sozialdemokraten in Opposition gehen, haben sie die Chance, sich gemeinsam mit Wirtschaftsleuten zu überlegen, wie man es schafft, dass die Arbeitslosen eines Tages nicht so auf der Straße stehen werden wie vor Kurzem noch die Flüchtlinge.

Franzobel (Schriftsteller): Ich sehe keinen Grund für EU-Sanktionen. Europa ist nach rechts gerückt. Innerhalb Österreichs sind vereinzelte Proteste möglich, wenn es, womit ich rechne, zu einer schwarz-blauen Regierung kommt. Aber letztlich ist das zu akzeptieren, sie sind ja demokratisch gewählt. Überraschend ist für mich das respektable Abschneiden der SPÖ. Das war einerseits der Mitleidseffekt, andererseits die Angst vor Schwarz-Blau. Deswegen haben auch die Grünen stark verloren.

Manfred Bockelman (Maler): Die Leute wollten auf jeden Fall Veränderung, obwohl die Arbeitslosenzahlen zuletzt gesunken sind und die Wirtschaft ganz gut dasteht. Ob sie auch wollten, dass am Ende Schwarz-Blau herauskommt, da bin ich mir nicht mehr so sicher. Und ich kann das auch nicht nachvollziehen nach dem Desaster, das die Freiheitlichen in Kärnten angerichtet haben. Gottlob gibt es im Parlament Peter Pilz, der eine gewisse Kontrolle ausüben wird. Das ist für mich ein Hoffnungsschimmer.

Robert Menasse (Schriftsteller): Ich warte noch auf die Bestätigung, ob die Grünen wirklich rausfliegen. Wenn, dann wäre das demokratiepolitisch katastrophal. Die SPÖ kann sich jedenfalls bei vielen ehemaligen Grün-Wählern bedanken, die ihr jetzt die Stimme gegeben haben, um Blau zu verhindern. Im Augenblick muss man erwarten, dass Schwarz-Blau kommt. Was ich mir sofort erwarte, ist, wie in Deutschland, eine klare Ansage der Sozialdemokraten, dass sie in Opposition gehen.

Thaddaeus Ropac (Galerist in Paris und Salzburg): Die Schlagzeilen in Frankreich kann ich mir schon vorstellen. Das starke Abschneiden der FPÖ führt eine Situation herbei, die uns ganz falsch positioniert, das wird man in Europa nicht verstehen. Gerade in Ländern wie Frankreich herrscht derzeit ein enormer Aufschwung Richtung Europa. Dass Österreich nun mit Polen und Ungarn ins ultrarechte Schmuddeleck gestellt werden könnte, ist fatal.

Adele Neuhauser (Schauspielerin): Ich hoffe, dass jetzt das Geschwür aufbricht und wir bis 2022 auf dem Weg bis zur Ausheilung trotzdem nicht zu sehr bluten müssen. Ich freue mich also schon jetzt auf das Ende dieser Periode!

Joesi Prokopetz (Kabarettist): Wir leben in einer Demokratie, daher ist das Wahlergebnis zu respektieren. Demokratie ist ja unter den Staatsformen noch immer das kleinste Übel, wie es heißt. Aus Sicht des Kabarettisten muss ich sagen: Alles, was sich da getan hat, ist für unsereinen nicht mehr zu toppen.

Ferdinand Schmalz (Schriftsteller): Das starke Abschneiden der FPÖ hat mich überrascht, zumal ihr Wahlkampf nicht ganz rund gelaufen ist. Und es erschreckt einen, dass ÖVP und FPÖ zusammen knapp an der Zweidrittelmehrheit kratzen. Das Ergebnis erklärt sich durch einen Wahlkampf, in dem die negativsten Emotionen am stärksten wirkten. Jene, die die stärksten Ressentiments bespielen, stehen am Ende als Sieger da. Das Migrationsthema war bestimmend, positive, zukunftsgestaltende Ideen gab es kaum.

Fritz Jergitsch (Satiremedium "Die Tagespresse"): Wir als Satiriker freuen uns sehr über Schwarz-Blau. Wir freuen uns auch auf neue Hypo-Skandale und mehr Eurofighter-Bestellungen. Wir fordern mindestens 200 Eurofighter mehr für Österreich. Wir werden sehr viel Arbeit in den nächsten Monaten, Jahren damit haben.