Schriftsteller Moritz Rinke (50) sprach von einem "hässlichen Tag für die parlamentarische Demokratie". Nun könnten Rassisten und Rechtsextreme Mitarbeiter einstellen und mit Geld Themen besetzen, sagte Rinke der dpa am Montag. Den etablierten Parteien sei es nicht gelungen, ein neues gesellschaftliches Leitbild zu formulieren, das nicht Angst vor der Flüchtlingspolitik erzeuge, sondern Verständnis und Empathie. Der Ton im Parlament werde sich verschärfen. Rinke, zu dessen bekanntesten Werken der Roman "Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel" gehört, erwartet viel Arbeit für den Bundestagspräsidenten.

Der Publizist und Philosoph Richard David Precht (52) sieht den Wahlausgang als "Quittung für einen unpolitischen Wahlkampf". "Dieser Vorwurf richtet sich an die beiden großen Parteien, aber auch an die kleineren", sagte er in Köln. Die großen Themen, die die Menschen beschäftigten, seien nicht wirklich Wahlkampfthemen gewesen: Zuwanderung, die ökologischen Folgen des Wirtschaftsmodells und die gewaltigen Umbrüche durch die Digitalisierung. "Wenn sich die anderen Parteien weiterhin darum drücken, Utopien für eine zukünftige Gesellschaft zu entwerfen, dann wird das den rechtspopulistischen Parteien - insbesondere der AfD - weiterhin großen Auftrieb geben."

Theaterchef und Regisseur Ostermeier (49) sagte, viele Menschen hätten seiner Ansicht nach die AfD aus Protest gewählt und nicht deshalb, weil sie überzeugte Rechtsextremisten sind. Die AfD-Wähler müsse man nun durch kluge Argumentation wieder zurückholen. "Die AfD ist keine bürgerliche Partei, sondern eine rassistische, homophobe und in vielen Fällen auch frauenverachtende Partei", sagte Ostermeier. Man müsse den Wählern klar machen, dass sich die AfD nicht um ihre Ängste kümmere, die vor allem Ängste vor einem weiteren Sozialabbau seien.

Der Fotograf und Künstler Wolfgang Tillmans rief dazu auf, die AfD durch die politische Debatte nicht aufzuwerten. "Ich hoffe, die Medien werden der AfD in Zukunft dreizehn Prozent der Aufmerksamkeit geben und keine Minute und Zeile mehr", sagte der 49-Jährige der dpa. Es sei jetzt wichtig, nicht jeden Tabubruch zu einer Großdebatte zu machen und damit Leuten wie dem AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland erst richtig Gehör zu verschaffen. "Es kann nicht sein, dass Herr Gauland dem Land eine Debatte überstülpt, ob wir stolz auf die Taten der Wehrmachtsoldaten sein sollen", so Tillmans.

Deutschlands bekannteste Feministin Alice Schwarzer (74) sieht nach der Bundestagswahl die "Stunde der Frauen" gekommen. Der Erfolg der AfD gehe vor allem auf Männer zurück, sagte sie. "Die haben nicht nur im Osten, sondern auch im Westen fast doppelt so häufig die AfD gewählt wie die Frauen. Jetzt, wo der Karren im Dreck steckt, schlägt die Stunde der Frauen. Die müssen jetzt gegenhalten gegen die Verhetzung und Vermachoisierung der Republik."

Der Kölner Autor Günter Wallraff sagte: "Es ist eine Katastrophe, dass Rechtspopulisten und rassistische Führungskräfte wieder das große Wort führen können - und das mit einer Sprache, die bewusst Spielregeln verletzt, um Hass und Feindbilder zu schaffen." Wallraff betonte zugleich, man solle den AfD-Wählern keine Nazi-Nähe unterstellen. "Die meisten sind verwirrt oder enttäuscht und fühlten sich mit ihren Sorgen nicht ernst genommen."