Ein Federndieb steht ab heute, 4. Juli, in Basel (Schweiz) vor Gericht. Über Jahre, womöglich Jahrzehnte, hat der heute 45-jährige Schweizer zahlreiche Museen in der Schweiz, Österreich und in Deutschland heimgesucht. Die Basler Staatsanwaltschaft klagt den Mann wegen gewerbsmäßigen Diebstahls an Basel, Bern, Stuttgart, Frankfurt, München, Berlin und auch das Naturhistorische Museum in Wien mussten Federn lassen. Das Gericht schätzt den Schaden auf sechs Millionen Franken (5,5 Mio. Euro).

Der wissenschaftliche Verlust sei "unermesslich", da von einigen Präparaten nun keine unbeschädigten Exemplare mehr existierten. Das Ziel des 45-Jährigen sei der Aufbau einer eigenen Sammlung mit Präparaten von fast allen Greifvogel-Arten der Welt gewesen.

Natürlich sah der Federdieb nicht wie ein verschrobener Kauz aus, als er bei Marcel Güntert auf der Matte stand. Der langjährige Direktor des Naturhistorischen Museums in Bern sah einen Experten vor sich, als der Mann Anfang der 2000er-Jahre auftauchte. "Er hatte Interesse an Greifvögeln, er wollte Gefiedervariationen dokumentieren", erzählt Güntert bei einem Besuch am Tatort".

"Hier hat er alle Hemmungen verloren"

In der kühlen unterirdischen Kammer des Museums stehen imposante Vögel wie Papageien, Adler und Geier, lebensecht präpariert. In den Schubladen liegen die Vogelbälge, Tausende Vogelhäute mit Gefieder, Schnabel und Füßen. Da hat der Federdieb zugeschlagen. Nach kurzem Suchen findet Güntert das Corpus Delicti. "accipiter cirrocephalus" steht auf dem toten Vogel, "Australien, Juli 1954". Dem Sydneysperber, einer Greifvogelart aus der Familie der Habichtartigen fehlt der linke Flügel.

"Anfangs haben wir ihm die gewünschten Präparate noch hoch gebracht in ein Sitzungszimmer, aber nach ein paar Besuchen hat man ihm vertraut. Er durfte hier herunterkommen, unbeaufsichtigt", so Güntert: "Hier hat er alle Hemmungen verloren."

Über 17.000 Federn

"Eigentlich ist er aber unermesslich", sagt der Erfurter Biologe Stefan Hertwig, Mitglied der Museumsleitung in Bern. "Alle Vögel sind Unikate, und die große Frage ist, ob die Federn, die der Mann geklaut hat, den einzelnen Museen überhaupt wieder zugeordnet werden können."

Mehr als 17.000 Federn entdeckten Ermittler 2012 in der Sammlung des Mannes. Ein Berliner Museum war ihm auf die Schliche gekommen und hatte Alarm geschlagen. Mit Schrecken entdeckten viele Museen den Namen des Mannes auf ihren Besucherlisten. So kam das Ausmaß der Beschädigungen erst ans Licht. Mehr als 160 Federn und Flügel soll er aus Museen gestohlen haben. Verhandelt wird über Diebstähle zwischen 2005 und 2012. In Bern war er aber schon deutlich früher am Werk. Der Diebstahl war verjährt, als er ans Licht kam, sagt Hertwig.

"Heute würde man genauer hinschauen"

"Ich hätte einmal Verdacht schöpfen müssen", sagt Güntert, inzwischen pensioniert, heute. Nach einem Besuch des Federdiebs saß er zufällig später mit Kollegen im selben Raum, in dem der Mann sich Präparate angeschaut hatte. "Ich sah ein paar Krümel auf dem Boden, winzig, das waren Federkrümel. Ich dachte damals, da muss ein Präparat wohl brüchig gewesen sein - heute weiß ich, dass waren Schnittreste." Die Bälge werden nie mit aufgespreiztem Gefieder aufbewahrt, sondern platzsparend. So ist das Fehlen von Federn nicht gleich zu sehen.

"Museen sind durch den Fall sensibilisiert", sagt Hertwig. "Heute würde man genauer hinschauen." Federn oder Flügel zu stehlen sei wie Seiten aus wertvollen Bibliotheksbüchern zu reißen. "Diese Sammlungen sind wie ein Archiv des Lebens", sagt Hertwig. Unschätzbar wertvoll.