Anfang und Ende macht William Shakespeare, die "Herzstücke" beleuchten den Moment, in dem sich "die Perspektive dreht" und neben viel angelsächsischen Werken ist dem Burgtheater für die Spielzeit 2017/18 ein Österreich-Schwerpunkt passiert. "Der war gar nicht geplant, hat sich aber automatisch eingestellt", erklärte Karin Bergmann, als sie ihre kommende Saison der Presse vorstellte.

Neue Stücke von Ferdinand Schmalz, Josef Winkler, Ewald Palmetshofer und Wolfgang Bauer sind dabei, dazu Thomas Köck und Joseph Roth: Elf der 21 derzeit weitgehend fix geplanten Premieren sind Ur- oder Erstaufführungen. "Das ist, was einen als Theaterdirektorin am glücklichsten macht, wenn man in intensivem Kontakt mit lebenden Dichtern ist." Auch das Saisonmotto "es kommt der Augenblick, in dem die Perspektive dreht" stammt aus einem der beiden Burg-Auftragswerke: Ferdinand Schmalz' Neudichtung "Jedermann (stirbt)" wird im Februar 2018 uraufgeführt. Gegenüber Hofmannsthals Text werde die Neuversion den "liturgischen Charakter" ebenso wie "altertümelnde Klischees" ausräumen und "Konflikte zuspitzen", verriet Dramaturg Hans Mrak, die Titelfigur dürfe man sich als "knallharten Geschäftsmann" vorstellen.

Regie führt Stefan Bachmann, der damit nach längerer Pause ans Haus zurückkehrt - ebenso wie weitere Wunschregisseure Bergmanns, etwa Leander Haußmann "nach fast einem Vierteljahrhundert". Er wird die Saison im Haupthaus eröffnen - im Akademietheater startet man schon vorher mit Andrea Breths Salzburger Festspiel-Koproduktion "Die Geburtstagsfeier" - und zwar mit einem Stück, "dem er obsessiv verfallen" ist und das er bereits wiederholt inszenierte: Shakespeares "Sommernachtstraum". Shakespeare bildet am Ring gleichsam die große Klammer über die Saison - im Mai schließt Antu Romero Nunes mit "Macbeth" ab.

"Radetzkymarsch"

Regiewünsche konnte sich Bergmann auch mit der erstmaligen Burg-Verpflichtung von Johan Simons und Luk Perceval erfüllen. Mit dem konkreten Wunsch "Radetzkymarsch" von Joseph Roth seien sowohl Simons als auch sie selbst in die Gespräche gegangen, um sich "wunderbar zu treffen". Perceval brachte das Material "das er sich erobern möchte", selbst aufs Tapet: Die Roman-Dramatisierung von Dimitri Verhulsts "Der Bibliothekar, der lieber dement war, als zu Hause bei seiner Frau" (am Theater unter dem kürzeren Titel "Rosa Rozendaal") handelt von einem Mann, der sich durch Täuschung von Familie und Ärzten freiwillig in ein Dementen-Heim begibt und dort seiner früheren verpassten Liebe wiederbegegnet.

Auch Alvis Hermanis hat seinen eigenen Stückwunsch mitgebracht: "Schlechte Partie" heißt die Neuübersetzung eines Werks des russischen Theaterdichters Alexander Ostrowski, das selten bis gar nicht im deutschsprachigen Raum gespielt wurde und "die These aufstellt, dass wer Geld hat, die Liebe kaufen kann", so Dramaturg Klaus Missbach. Sehen lassen kann sich bei dieser Premiere am 21. Oktober das Ensemble: Während Hermanis mit Peter Simonischek, Michael Maertens, Fabian Krüger oder Dörte Lyssewski bereits gearbeitet hat, ist es sein erstes Zusammentreffen mit Nicholas Ofczarek.

Weitere neue Stücke kommen aus Österreich: Josef Winkler hat sein Auftragswerk für die Burg vollendet und Regisseurin Alia Luque, die "Lass dich heimgeigen, Vater oder Den Tod ins Herz mir schreibe" im November im Kasino herausbringt, auch durch seine Kärntner Heimat geführt. Der junge Thomas Köck wurde für seine Klima-Trilogie mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet, der erste Teil "paradies fluten" kommt als Österreichische Erstaufführung am 9. September ans Akademietheater.

Ewald Palmetshofer hat Gerhart Hauptmann bearbeitet: "Vor Sonnenaufgang" lautet der Arbeitstitel des Stücks, für das Dusan David Parizek - zuletzt vor allem am Volkstheater intensiv im Einsatz - wieder an der Burg unter Vertrag ist. Und mit "Der Rüssel" kommt ein lange Zeit verschollenes, 2015 zufällig wiederentdecktes Frühwerk des damals 21-jährigen Wolfgang Bauer zur Uraufführung, das in einer Geschichte, in der die Tropen plötzlich über die Alpen hereinbrechen, "alle Heimatklischees auf den Kopf stellt", so Mrak, und irgendwo zwischen "Anzengruber und Beckett" angesiedelt ist. Christian Stückl inszeniert im Akademietheater.

Vertieft wird auch in der kommenden Spielzeit der Blick ins englischsprachige Theaterschaffen: Mit der "Glasmenagerie" von Tennessee Williams (im Februar im Akademietheater, Regie: David Bösch) und "Eines langen Tages Reise in die Nacht" von Eugene O'Neill (Andrea Breths zweiter Streich der Saison im April an der Burg) widmet man sich Klassikern der amerikanischen Moderne, mit Ayad Akhtars "The Who and the What" setzt man nach dem aktuellen Erfolg von "Geächtet" auf ein weiteres Stück des jungen Autors, das die Beziehung von Islam und der Frau in unserer Gesellschaft beleuchtet (Felix Prader inszeniert im Mai im Akademietheater) und mit "Saturn kehrt zurück" von Noah Haidle bringt man den Nachwuchs ins Vestibül.

Nachfolge-Spiel

Neben den Fixstartern kündigte Bergmann aber weitere "Pläne, von denen ich denke, dass wir sie umsetzen werden" an: So soll Simon Stone im Frühsommer eine neue Inszenierung beisteuern, die aber wegen seiner Hollywood-Pläne noch nicht fixierbar war und Martin Kušej wird aller Voraussicht nach einen "Lesemarathon" gestalten, weil eine eigene Regiearbeit mit seinen Verpflichtungen als Theaterleiter terminlich schwer vereinbar ist.

Der Name Kušej kursiert unterdessen freilich ohnehin, wenn es um das Burgtheater geht - will doch Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) die Nachfolge von Karin Bergmann ab 2019 noch vor Saisonschluss regeln. Häufig genannt werden auch Namen wie Bettina Hering oder ihr Salzburger Vorgänger als Schauspielchef, Thomas Ostermeier - Elfriede Jelinek bringt in der aktuellen Ausgabe von "News" den aus Berlin unfreiwillig scheidenden Frank Castorf in Spiel.