Ein generell positives Zeugnis stellt die Akademie der Wissenschaften Österreichs Medien aus. "Der österreichische Journalismus sieht sich generell der Qualitätsnorm verpflichtet", sagte Josef Seethaler vom Institut für Medien- und Kommunikationsforschung der Akademie am Montag bei der Präsentation der Studie "Qualität des tagesaktuellen Informationsangebots in den österreichischen Medien".

Defizite ortet der Kommunikationswissenschafter im Segment der Boulevard-Titel. "Bedauerlicherweise sind die Boulevardmedien bei fast allen Qualitätsindikatoren im unteren Drittel bis Viertel anzusiedeln, sodass hier ein Nachhol- und Nachdenkbedarf besteht." Namentlich nennt die Studie etwa "Heute", "Kronen Zeitung", "Österreich" und oe24.at. Hier könne von einem "Qualitätsdefizit gesprochen werden, das durch die in den letzten Jahren erstarkende Marktposition der Gratiszeitungen verstärkt worden ist". Seethaler plädierte darüber hinaus dafür, dass die Medien neben der Objektivitätsnorm künftig mehr Augenmerk auf die Diskursleistung legen sollten. Damit sei eine gewisse Orientierungsleistung und bzw. interpretativer Journalismus gemeint, der nichts mit Parteilichkeit zu tun habe.

25.000 Beiträge wurden analysiert

Die Kommunikationsforscher der Akademie der Wissenschaften untersuchten im Auftrag der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH das tagesaktuelle Informationsangebot in 36 österreichischen Medien aus den Gattungen Presse, Fernsehen, Radio und Online. Insgesamt wurden über 25.000 Beiträge an 24 zufällig ausgewählten Tagen des Jahres 2014 analysiert. Journalistische Qualität wurde von den Forschern über die Merkmale Transparenz, Vielfalt, Relevanz, Professionalität definiert. Untersucht wurden aber auch Objektivität und Diskurspotenzial der Beiträge.

Weiblichkeit schlecht, Objektivität gut

Fazit: Der Anteil der "Hard News" ist in Österreichs Medien relativ hoch, die Quellentransparenz ist gut, Defizite gibt es bei der Vielfalt der Positionen und bei der Berücksichtigung weiblicher Akteure in der Berichterstattung, gut schneiden Österreichs Medien bei der Objektivität ihrer Inhalte ab.

In Sachen Relevanz der Berichterstattung kam die Studie zu dem Schluss, dass die österreichischen Redaktionen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen hohe Beachtung schenken und "Hard News" mit Anteilswerten von über 70 Prozent eine starke Präsenz in den untersuchten Medien hatten. In Print betrug der Anteil der "Hard News" 77, im Radio 72, im Fernsehen 71 und in Online 64 Prozent. Negativer Nebenaspekt: Je höher der Anteil der "Hard News" in den Medien, desto weniger zählen Frauen zu den zentralen Akteuren eines Beitrags. Die gesellschaftliche Realität werde hier bei Weitem nicht abgebildet. "Dies sollte von den Redaktionen als Alarmsignal verstanden werden", warnte Seethaler.

ORF-Programme sehr objektiv

Erfreuliche Werte gab es für die klassischen Medien beim Qualitätsmerkmal Urhebertransparenz. Nachholbedarf orten die Studienautoren in dieser Kategorie hingegen bei Online-Portalen. Generell gut lagen die Medien auch bei der Quellentransparenz. Hier wiesen auch Online-Medien gute Werte auf. Nicht so gut sah es hingegen bei der Vielfalt der Positionen bzw. der Zahl der zitierten Akteure aus. Hier gebe es noch einiges Potenzial nach oben.

Positiv fiel die Studie punkto Objektivität der Medien aus. "Das journalistisches Selbstverständnis definiert sich in Österreich zu einem Großteil über die Objektivitätsnorm", berichtete Seethaler. "Die Programme des ORF stehen hier ganz oben. Generell ist das ein Zeugnis, das die Erfüllung des Programmauftrags des ORF verdeutlicht. Gleich acht ORF-Programme konnten sich hier unter den zehn objektivsten Medien platzieren. "Auf der Ebene der Sendungen steht die 'ZiB 2' an der Spitze." Am anderen Ende der Skala rangieren Boulevardmedien.

Das Diskurspotenzial

Beim Diskurspotenzial, wo es um Einordnung und Interpretation geht, schnitten derstandard.at, "Salzburger Nachrichten", ATV, "Der Standard" und Ö1 am besten ab. In einem diskursfördernden Sinn beste ORF-Nachrichtenformate waren laut Seethaler das "ZiB Magazin" sowie die "ZiB 20". Der ORF müsse auf ORF eins einfach "ein anderes Publikum ansprechen", so Seethaler. Deutliche Unterschiede stellten die Medienforscher zwischen Print- und Online-Medien der Zeitungshäuser fest. Online-Medien sind demnach diskursiver als ihre Printausgaben.