"Le bon Dieu s’est trompé de mort“, ob sich der liebe Gott in der Todesart geirrt haben könnte? Taugt solcherart Theologie, also ein Reden über Gott, als Stoff für eine Oper? Ja, und wie! Regisseur Richard Brunel kreiert mit „Dialogues des Carmélites“ von Francis Poulenc drei Stunden packendes Theater.
Ohne historische Reminiszenz, hievt er die komplexe Geschichte der jungen Adeligen Blanche, die ihre Lebensangst hinter Klostermauern zu überwinden sucht, überwiegend in einen farblos hellen Bühnenraum (Anouk Dell’ Aiera) mit minimaler Ausstattung. Die wechselnden Schauplätze werden durch verschiebbare Wände angedeutet. Die Allgemeingültigkeit der Parabel von der Prüfung menschlicher Schwächen unterstreichen schlichte Alltagskleider (Axel Aust).
Die Erzählung vom Martyrium einer Nonnengemeinschaft während der französischen Revolution, durchwoben von Gesprächen über Angst, Gottvertrauen und Zweifel, steigert vor allem die Musik ins Dramatische. Lyrische Linien wie rhythmisch strukturierte Klangflächen bestimmen Poulencs eingängige Klangwelt. Realisiert vom ausgezeichnet disponierten Kärntner Sinfonieorchester unter Alexander Soddy, der die kompositorischen Elemente in farbenreichen Bögen zusammenführt.
Das musikalische Ereignis korrespondiert mit dem szenischen, wenn zwischenmenschliche Spannungen und seelische Konflikte aufbrechen. Brunel dynamisiert den eher statischen Plot durch choreografische Elemente und unprätentiöse Gesten.
Dass die Oper letztlich ein emphatisch fesselndes Erlebnis wird, ist vor allem dem Sängerinnenensemble zu verdanken. Es wird angeführt von Laura Tatulescu, die mit fokussiertem Sopran die Entwicklung von Blanche glaubwürdig gestaltet. Ihr Pendant, Evgeniya Sotnikova, bringt als lebensfrohe Soeur Constance stimmlich strahlende Widersprüchlichkeit ein. Die wiederum Marianne Eklöf in einem tragischen Rollenporträt als sterbende Priorin konterkariert. Einnehmend Betsy Horne als fürsorgliche Madame Lidoine mit klaren Höhen, wovon Heidi Brunner als machtbewusste Mère Marie auch im Stimmcharakter abhebt. Aus der quantitativ geringen Männerriege sei der gepflegte Tenor Ilker Arcayürek als junger Chevalier erwähnt. Heftig Kristian Paul als Vater. Markus Francke liefert als Hauskaplan eine kleine, aber bestechende Partie.
Überaus stark der Schluss: Die Nonnen stimmen ein „Salve Regina“ an, das mit jedem Herabsausen des Fallbeils dünner wird, bis auch Blanche den Tod erleidet und der Gesang verstummt. Wie ein Gebet für die Menschheit. „C’est la prière du genre humain“ und eine große Oper. Sie wurde mit großem Applaus bedacht.

Die nächsten Termine: 18., 20., 21., 24., 26. Februar sowie am 1. März (15 Uhr), 4. und 6. März, jeweils 19.30 Uhr. Stadttheater Klagenfurt.
Karten und Info unter Telefon (0463) 54 0 64