In den Feuilletons ist er nahezu unbekannt, und doch zählt er zu den österreichischen Autoren mit den höchsten Verkaufszahlen: Andreas Gruber, 1968 in Wien geboren, in Grillenberg (Niederösterreich) wohnhaft und bis vergangenen Herbst im Controlling eines Pharmakonzerns tätig, schreibt Spannungsliteratur. Auch das Cover seines eben erschienenen Thrillers "Todesurteil" ist reißerisch gemacht.

"Todesurteil" ist die Fortsetzung von "Todesfrist", dem ersten Fall des von Gruber erfundenen, beim deutschen Bundeskriminalamt in Wiesbaden arbeitenden Profilers Maarten S. Sneijder, von dem bisher über 150.000 Exemplare verkauft wurden. Grubers Bücher werden zu 90 Prozent in Deutschland verkauft, doch der zweite Fall führt Sneijder und die junge Kriminalbeamtin Sabine Nemez nach Wien. Hier ist Staatsanwältin Melanie Dietz mit einem bizarren, grausamen Fall konfrontiert: Die zehnjährige Clara taucht, nachdem sie ein Jahr abgängig war, völlig verstört in einem Wald auf. Ihr gesamter Rücken ist mit Motiven aus Dantes "Inferno" tätowiert.

Kurz bevor Gruber sein "Todesurteil" erstmals öffentlich präsentiert (Donnerstag, 19. Februar, 19 Uhr, Buchhandlung Thalia W3, Landstraßer Hauptstraße), sprach der Autor mit der APA über Mord und Totschlag, Horror und Fantasy, Blogger und Testleser, Verkaufszahlen und Namensvetter.

Herr Gruber, haben Sie eine Ahnung, wie viele Bücher sie insgesamt bereits verkauft haben?

Andreas Gruber: Die ersten 15 Jahre meiner Schriftstellerei habe ich in verschiedensten Kleinverlagen veröffentlicht. Dabei habe ich wahrscheinlich von zehn verschiedenen Büchern insgesamt 10.000 Stück verkauft. Seit fünf Jahren bin ich beim Goldmann Verlag unter Vertrag. Die haben ein eigenes Autorenportal, auf dem man täglich seine Verkaufszahlen sehen kann. Dort schau ich jeweils am Monatsende rein. Bis jetzt sind dort von vier Romanen - wobei der vierte gerade erscheint - rund 350.000 Exemplare verkauft worden.

Haben Sie einen Agenten gebraucht, um Goldmann zu überzeugen, dass Sie eine Goldgrube wären?

Gruber: Das war tatsächlich so. Wobei es ein sehr mühsamer Weg war. Ich wollte immer schon einen Literaturagenten haben, ohne den schafft man es bei den Großverlagen überhaupt nicht. Vor sieben Jahren habe ich mich in München mit Roman Hocke von der Literaturagentur AVA getroffen, und er hat mich unter Vertrag genommen. Ich hab mich gefreut und gedacht: Das ist jetzt eine g'mahte Wies'n, aber es hat noch eineinhalb Jahre gedauert, bis wir einen Verlag gefunden haben. In dieser Zeit habe ich an die zehn verschiedene Romanentwürfe und Exposés entwickelt, und kein Verlag hat sich dafür interessiert. Der Club Bertelsmann hat dann den ersten Roman, "Rachesommer", exklusiv für seine Buchmitglieder gekauft. Im Jahr darauf haben sie "Todesfrist" genommen. Das ist vor allem durch Mundpropaganda so ein Renner geworden, dass der Goldmann-Verlag die Taschenbuch-Rechte erworben hat.

Es scheint für Thriller eine spezielle Community zu geben, eine Art Gegenöffentlichkeit abseits der normalen Literaturkritik.

Gruber: Mein Literaturagent sagt, dass die großen Medien fast nur Hardcovers besprechen, weil sie der Meinung sind, dass Taschenbücher mindere literarische Qualität sind. Darum hat man mit Taschenbüchern kaum eine Chance, in den großen Printmedien rezensiert zu werden. Aber durchs Internet sind sehr viele Blogger präsent, sie bevölkern die Buchmessen betreiben Blogs und Plattformen zu speziellen Themen. Sie sind eher am Puls der Leser.

Dennoch stößt man bei Archiv-Recherchen unter dem Namen Andreas Gruber fast immer auf Ihren Namensvetter, den oberösterreichischen Filmregisseur.

Gruber: Er ist einfach präsenter mit seinen Filmen. Rund einmal im Monat bekomme ich auch ein E-Mail, das eigentlich an ihn gerichtet ist. Dabei geht das Thriller-Genre an und für sich schon gut. Nur in Österreich kennt mich keiner. Es ist mir ein einziges Mal passiert, dass ich in einem Lokal angesprochen wurde, ob ich der Autor sei und ob ich ein Autogramm geben könne. Gott sei Dank war meine Frau dabei. Die hätte mir das sonst nicht geglaubt.

Viele österreichische Autoren, die aus der herkömmlichen Roman-Literatur kommen, drängen auf den Krimi-Markt. Sie kommen aus der anderen Ecke, aus dem Fantasy-, Horror- und Thriller-Bereich.

Gruber: Fantasy hab' ich nie geschrieben. Das ist ein Missverständnis, mit dem ich oft zu tun habe.

Immerhin haben Sie aber drei Mal den Deutschen Phantastik Preis erhalten.

Gruber: Genau: Phantastik! Das ist der Überbegriff für Horror, Fantasy und Science Fiction. Ich habe früher Horror und Science Fiction geschrieben, weil das Genres sind, die mich in meiner Jugend geprägt haben. Ich hab "Raumschiff Enterprise" und "Mit Schirm, Charme und Melone" gesehen. Die ersten Schreibversuche waren Horror-Kurzgeschichten. Ich komme eindeutig aus der Horror-Ecke. Als ich 2004 das Angebot bekommen habe, einen Horror-Roman zu schreiben, war für mich klar, dass das eine Mischung aus Horror und Krimi wird. Wenn ich jetzt Thriller schreibe, versuche ich immer wieder, das Horror-Genre reinzubringen, aber nicht mit einer fantastischen, übersinnlichen Art, sondern realistisch - etwa, wenn eine Frau bei lebendigem Leib einbetoniert wird.

Sie haben mit Peter Hogart und Walter Pulaski bereits zwei Protagonisten kreiert, die in jeweils zwei Romanen ermittelt haben. Haben die beiden mit der Erfindung des niederländischen Profilers Maarten S. Sneijder nun ausgedient?

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Gruber: Nein, sie werden weitergeführt. Ich möchte vermeiden, dass ich im hohen Alter auf mein Lebenswerk zurückblicke und es dann heißt: Maarten S. Sneijders 33. Fall, so wie Donna Leon jetzt bei Commissario Brunettis 22. Fall hält. Ich möchte dem Publikum immer wieder etwas Neues, Überraschendes bieten und auch selber immer wieder etwas Neues versuchen. Darum wechsle ich das ab. Hogart ist ein Wiener Versicherungsdetektiv, der in Thriller-Fälle hineinrutscht. Pulaski ist beim Kriminaldauerdienst (dem Bereitschaftsdienst der Kriminalpolizei, Anm.) in Leipzig beschäftigt, und Sneijder ist ein niederländischer Profiler.

Was charakterisiert Sneijder?

Gruber: Ich wollte einmal eine wirklich schräge Figur schaffen, eine Figur mit Ecken und Kanten. Ich hab mich dabei sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Er kifft, er ist schwul, er unterrichtet als Niederländer am Bundeskriminalamt in Wiesbaden und er ist ein richtiges Arschloch. Er ist ein Misanthrop, er hasst alle Leute. Keiner kommt mit ihm aus. Er stiehlt in einer Privatfehde Bücher aus Buchhandlungen, aber er ist ein Genie und hat eine Aufklärungsrate von nahezu 100 Prozent.

Es heißt, sie hätten ihm viel von sich mitgegeben?

Gruber: Ich kiffe nicht und bin nicht schwul, aber ich kann tatsächlich eine richtige Krätz'n sein, zynisch und ätzend.

Wie kommen Sie dann mit Ihren Testlesern aus? Die trauen sich ja dann am Ende gar nicht, Ihnen die Wahrheit zu sagen.

Gruber(lacht): Nein, im Gegenteil. Die sind manchmal sehr brutal, und es braucht dann ein dickes Fell, das festzustecken. Aber ich bin froh, dass ich sie habe, denn sie sind schonungslos. Mitunter könnte ich in Tränen ausbrechen, wenn sie sagen: Die Handlung ist nicht plausibel, die Charaktere sind nicht interessant, es ist nicht spannend. Da wird dann aber hart daran gearbeitet.

Haben Sie dieses System selbst entwickelt?

Gruber: 1997 war ich in London und hab' in einer Buchhandlung eine ganze Bücherwand mit Creative Writing-Sachbüchern entdeckt. Da habe ich massenhaft eingekauft. Von dort habe ich dieses Konzept, das Manuskript bewusst aus der Hand zu geben - aber nicht der Mitzi-Tant und dem Pepi-Onkel, sondern ausgesuchten, kritischen Lesern. Ich habe das mit Freunden begonnen. In den vergangenen 15 Jahren ist daraus ein Kreis von mittlerweile zwölf sehr guten Testlesern entstanden, mit denen ich irrsinnig gern zusammenarbeite.

Und was haben die davon?

Gruber: Einmal im Jahr mache ich eine große Feier als Dankeschön. Da werden auch die Belegexemplare ausgeteilt. Beim letzten Mal habe ich auf eine Berghütte eingeladen, zu den Büchern passende in eine düstere Zehn-Kleine-Negerlein-Atmosphäre...

Sie sammeln auf Facebook Hoppalas der Medien im Zusammenhang mit Ihnen. Was war denn die bisher ärgsten Fehler?

Gruber: Der "Falter" hat mich in einer Ankündigung der Präsentation von "Todesurteil" gerade den "stillen Tiroler Bestsellerautor Andreas Gruber" genannt. "Der Autor und Regisseur Andreas Gruber" ist sehr häufig. Und auch "der Fantasy-Autor Andreas Gruber" ist leider nicht auszurotten.

Interview: Wolfgang Huber-Lang/APA

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