Einmal mehr entzieht sich der österreichische Starregisseur aber persönlichen Analysen: "Ich stimme jeder Beurteilung zu, weil sie ja von dem gemacht wird, der es so empfindet", sagte Haneke vor Journalisten. "Aber was ich, der Haneke, zur Liebe meint, ist völlig uninteressant. Ich habe auch keine Lust, mich selber zu interpretieren oder zu beurteilen." Dennoch gab er am Dienstag im Beisein der Austria Presse Agentur bereitwillig über seinen jüngsten Coup Auskunft.

Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva liefern eine unheimlich starke Darstellerleistung. Waren die beiden Schauspieler von Anfang an für die Rollen vorgesehen?

Haneke: Jean-Louis ja, ich habe das Buch für ihn geschrieben. Emmanuelle kannte ich noch aus meiner Jugendzeit von "Hiroshima mon amour", hatte sie aber ein bisschen aus den Augen verloren, weil sie nachher nicht mehr viele große Rollen gespielt hat. Ich habe dann ein ganz normales Casting gemacht mit Damen dieses Alters - und sie war von Anfang an mein Favorit. Schließlich haben wir ein bisschen geprobt miteinander, und es hat sich sehr schnell herausgestellt, dass sie ideal ist.

Ihre Hauptcharaktere sind oft Musiker, aber selbst gehen Sie mit Musik sehr sparsam um.

Haneke: Weil ich die Musik zu sehr liebe, um sie dazu zu verwenden, meine Fehler zu verdecken, wie es meistens im Kino der Fall ist. Und in einem realistischen Film hat Musik nichts verloren, sie ist nur dann da, wenn im Radio etwas läuft oder wenn jemand musiziert. Musik spielt deswegen so eine große Rolle in meinen Filmen, weil ich eine sehr große Affinität dazu habe. In dem Fall habe ich für die Wohnung, in der der Film spielt, sogar der Wohnung meiner Eltern in Wien nachbauen lassen. Mein Stiefvater war Dirigent und Komponist, da lag das für mich auf der Hand.

Wir befinden uns fast den ganzen Film über in der großen bürgerlichen Wohnung. Würde für Sie der Film auch in einem anderen Setting, einer anderen Gesellschaftsschicht funktionieren?

Haneke: Dieses Thema ist in jedem Setting vorstellbar. Ich wollte es in einem bürgerlichen Setting zeigen, weil ich kein Sozialdrama machen wollte, sondern zeigen, dass, auch wenn man Geld hat und einen diese sozialen Probleme nicht terrorisieren, man um dieses Thema nicht herumkommt. Ansonsten würden die Probleme viel leichter lösbar wirken: "Na ja, wenn die sich eine Krankenschwester leisten könnten, dann wäre das alles viel leichter." Das wollte ich vermeiden.

Warum haben Sie dieses Thema gewählt?

Haneke: Jeder, mit dem ich bisher gesprochen habe, sagt mir, dass ich einen Film gemacht habe, der in seiner Familie spielt. Jeder ist in irgendeiner Form davon betroffen, ob es die Großeltern oder die Eltern oder Verwandte sind. Und mir ging es genauso. In meiner Familie gab es auch eine Geschichte, die mich emotional sehr mitgenommen hat, weil es sich um Menschen gehandelt hat, die ich geliebt habe. Und das hat mich motiviert, über dieses Thema nachzudenken und diesen Film zu machen.

Der Film ist mit Sicherheit kein leichter Stoff für das Kino ...

Haneke: Ja, aber in solchen Geschichten gibt es auch immer einen Trosteffekt, weil man das Gefühl hat, das geht nicht nur mir so, das geht anderen auch so. Das ist, glaube ich, bei jedem Drama so. Warum schaut man sich einen tragischen Film an? Weil man nach Gemeinsamkeit sucht, weil das etwas Tröstliches hat, dass auch ein anderer darüber nachdenkt oder Gedanken gemacht hat, dass ich nicht allein bin.