Überspitzt formuliert ist die Software von heute morgen doch schon wieder alt. Wie hat sich denn das Berufsbild des ITlers in einer solch schnelllebigen Branche in den letzten Jahren verändert?

ANGELIKA WEBER: Den ITler gibt es in dem Sinn nicht mehr. Die IT beinhaltet viele Berufsbilder – ein Spektrum an Tätigkeiten, das kein Ende nimmt. Ich habe nach der HTL Germanistik studiert. Für mich ist das eine logische Verküpfung – ich übersetze Geschäftsprozesse in digitale Produkte. Ich brauche Leute, die sprachlich und technisch gut sind, nicht nur Programmierer, sondern generell Problemlöser.

CHRISTIAN WIND: In der IT trifft das Sprichwort „Das einzig Beständige ist der Wandel“ zu. In der jetzigen Zeit wird der Wandel extrem verschärft. Es werden völlig neue Berufsbilder entstehen.

Wer wird in Zukunft in welchem Bereich gebraucht?

WIND: Die traditionellen Berufe wie Netzwerktechniker werden weniger stark gefragt sein. Die Bastler, die herumschrauben und programmieren werden immer weniger. Cloud Broker, Cloud Manager – in dem Bereich wird der Bedarf zunehmen. Vor 15 Jahren gab es noch riesige Server, es wird künftig immer mehr in Software abgebildet werden.

WEBER: Gerätedesigner sind wichtig. Unter anderem. Requirements Engineer ist für mich einer der wichtigsten Berufe in der IT. Es gibt aber kein Berufsbild dahinter.

MARTIN MAITZ: Die Ausbildungssysteme hinken in dieserschnelllebigen Branche per se hinterher. Aber die eigentliche Herausforderung ist: Wie bringe ich die Faszination für ein bestimmtes Technologiethema an die Leute? Ob das Beruf A, B oder C heißt, ist vernachlässigbar. Wir tun in Österreich zu wenig dafür, verabsäumen es, junge Leute von Anfang an abzuholen.

WEBER: Es geht um die Zielbildung. Was kann ich gut? Was begeistert mich als junger Mensch und wie kann ich das einsetzen, um Geld zu verdienen. Das Berufsbild dazu kann ich mir schaffen.

ANDREAS RÖSSL: In unseren Bewerbungsgesprächen versuchen wir aktiv aus den Leuten herauszukitzeln, was sie privat gern machen, was sie basteln, wofür sie sich begeistern. Es ist das Interesse, das man wecken muss, den Forschergeist. Wir haben nur leider zu wenige Bewerber. In der Elektronikentwicklung ist es sehr schwer, Mitarbeiter zu finden.

Das Problem, Techniker zu finden, ist nicht neu. Einzelne Initiativen greifen, aber einen Run auf die Technik haben sie nicht gerade ausgelöst – wie reagieren Sie als Unternehmen, wenn es nicht fünf vor, sondern Punkt zwölf ist?
MAITZ: Erst wenn der Hut brennt, werden die Leute aktiv. Das macht es heutzutage schwierig – wir reden von einer Innovationsdynamik, da muss man sich auch etwas trauen, damit man nicht scheitert. Die Firmen sind da zu vorsichtig.

RÖSSL: Wir haben 2010 das Unternehmen gegründet und sind nun fast 70 Leute. Wir haben extrem gute Leute. Der Grazer Raum ist das kleine Silicon Valley. Wir machen alles, was man machen kann, geben an den Unis Masterarbeiten aus, gehen an HTLs, gewinnen Preise – die allein locken allerdings wenige Bewerber an.

WEBER: Man muss die Branche bekannter machen. Wir gehen schon in Volksschulen, in die Unterstufen. Technik ist weit verbreitet, jeder, der mit seinem Handy herumspielt, muss sich doch auch überlegen, was dahintersteckt. Vielleicht liegt es auch daran, dass man IT-Berufe immer in die Technikschiene drängt. Es steckt viel Design dahinter und weniger Technik, als man denkt. Einmal in der IT, gibt es keine Grenzen – es ist ein spannendes Umfeld.

Kann die Berufsorientierung an den Schulen helfen, den Schülern die breite Palette an Möglichkeiten in der IT näherzubringen?

MAITZ: Berufsorientierung ist ein Begriff, über den man nachdenken muss. Wenn der Beruf prägend für das Leben ist, müsste man über Lebensorientierung nachdenken. Wir werden eine andere Art von Lernräumen brauchen, die Schule wird das nicht abdecken können. Wenn Leute aus unterschiedlichen Bereichen in Lerngruppen kommen und sich für eine Sache interessieren, schaut der Lernprozess anders aus, als wenn sie hinkommen müssen.

RÖSSL: Wir nennen das Cross-Funcitional-Teams. Leute aus unterschiedlichen Bereichen versuchen, sich gegenseitig weiterzuhelfen.

WIND: Das Silodenken muss weg, das Berufsbild des IT-Technikers wird immer übergreifender. Die Ausbildung der Leute immer schwieriger.

Ist die IT etwas für die Generation 50 plus, für Quereinsteiger?

WIND: Heute nicht mehr. Das ging vielleicht noch in den 90ern in einem kleinen Bereich.

Viele inszenieren ihr Leben auf Instagram oder anderen Plattformen – schauen Sie sich Bewerber in den sozialen Netzwerken an?

RÖSSL: Nein, es ist Privatsache, was jemand in seiner Freizeit macht – eine Grenze, die ich nicht überschreiten will.

WEBER: Wir sind eine sehr transparente Firma und ich habe kein Problem damit, wenn alle alles von mir wissen, aber auf sozialen Netzwerken schauen wir uns nicht um. Wichtiger ist in der ersten Bewerbungsrunde ist, ob die Werte passen.