Gerberin, Hafner, Hufschmied und Recyclingfachfrau – wie sind Sie denn zu Ihren ungewöhnlichen Lehrberufen gekommen?

VANESSA LÖSCHER: Ein Familienmitglied hat bei der Holding Graz gearbeitet und erzählt, dass verschiedene Lehrberufe ausgeschrieben werden. Der Beruf war neu für mich, das hat mich angesprochen.

Vanessa Löscher
Vanessa Löscher © Payman

TADEIJA FRIDAU: Ich habe schon etwa sechs Jahre bei der Firma Boxmark gearbeitet und mich immer dafür interessiert. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, die Gerberlehre zu machen.

JOHANNES LANG: Schon als kleines Kind bin ich beim Opa in der Werkstatt gestanden und war vor der Schule beim Hufebeschlagen dabei. Der Umgang mit Pferden hat mir schon von klein auf gefallen – ich wollte schon immer Hufschmied werden.

DANIEL RAPPOLD: Die Firma Preglau ist nicht weit weg von mir. Dann war ich zwei, drei Mal schnuppern und es hat gleich gepasst.

Wie haben Ihre Freunde auf Ihre Berufswahl reagiert?

LÖSCHER: Ich habe erst erklären müssen, was ich mache, auch weil es ein neues Berufsbild ist.

FRIDAU: Als ich meinen Freunden gesagt habe, was ich vorhabe, haben sie den Beruf nicht gekannt. Dann haben mich alle sehr unterstützt, das war wichtig, weil ich Slowenin bin und Deutsch nicht meine Muttersprache ist. Es gibt spezielle Fachwörter, die ich zum ersten Mal gehört habe.

Tadeja Fridau
Tadeja Fridau © Payman

LANG: Meine Freunde haben es schon geahnt. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich Hufschmied werde, und teile das auch auf Facebook. Fast keiner weiß, was man machen kann, um Pferden helfen zu können.

RAPPOLD: Den Begriff Hafner hat fast keiner gekannt, erst bei „Ofensetzer“ war dann allen klar, was ich mache.

Wie schaut denn Ihr Arbeitsalltag aus?

LÖSCHER: Ich arbeite mit Kunden und Firmen zusammen, bin am Sturzplatz, in der Problemstoffsammlung und in der Anlage tätig, wo der Müll hauptsächlich sortiert und zerkleinert wird.

FRIDAU: Wir stellen vor allem Leder her – von der Rohhaut bis zum fertigen Produkt. Mit meiner Abteilung bin ich für die Qualitätskontrolle zuständig. Derzeit bin ich im Ausland eingesetzt – ein Monat abwechselnd in Argentinien und in Österreich.

LANG: Wir sind als Hufschmiede unterwegs und beschlagen Pferdehufe so, dass es für jedes Pferd passt, auch wenn es Fehlstellungen oder eine Krankheit hat.

Johannes Lang
Johannes Lang © Payman

RAPPOLD: Wir machen Kachelöfen, Tischherde und Heizkamine – kein Ofen ist gleich.

Wo ist denn Ihre Berufsschule stationiert?

LÖSCHER: Ich bin zehn Wochen im Jahr in Linz im Lehrlingsheim.

LANG: Die bundesweite Berufsschule für Hufschmiede ist in Mistelbach, fast an der tschechischen Grenze.

FRIDAU: Es gibt keine Berufsschule für Gerber in Österreich (Anm.: nur in Deutschland; die Firma Boxmark bildet seit 2014 Lehrlinge in der eigenen Akademie aus).

Braucht es Innovation in der Ausbildung in einem Traditionsberuf oder wird heute noch gelehrt, was vor 100 Jahren gültig war?

Otto Lang
Otto Lang © Pajman

OTTO LANG: Was die Hufschmiedeschule in Mistelbach betrifft, hat man sich da viel einfallen lassen. Es gab eine Zeit, in der es den Beruf des Hufschmieds in Österreich nicht mehr gegeben hat. Bei der letzten Prüfung im Jahr 1967 war noch mein Vater dabei. Erst seit zwei Jahren gibt es wieder die Möglichkeit, Hufschmied zu lernen. Derzeit gibt es österreichweit 18 Hufschmiedelehrlinge. Zur Vermittlung der Fachkenntnisse unterrichten ein selbstständiger Hufschmied und eine Tierärztin, die sich beide sehr engagieren. Man fährt in den Reitstall, seziert Hufe …das ist Top!

Silke Preglau-Unger
Silke Preglau-Unger © Pajman

SILKE PREGLAU-UNGER: Hafner und Fliesenleger waren eigene Lehrbilder mit je drei Jahren Lehrzeit. Jetzt gibt es einen neuen lehrberuf, Ofenbau und Verlegetechniker, da kann man im Rahmen von vier Lehrjahren gleich alles machen. Das gibt es erst seit ca. einem Jahr.

HELMUT UNZOG: Das wichtigste ist die Ausbildung am Arbeitsplatz. Wir betreiben neben der Berufsschule  intensive Weiterbildung und schicken die Lehrlinge in Kurse – Vanessa war z.B. auch in einem Metallbearbeitungskurs.

Was zählt zu den spannendsten Momenten in Ihrem Beruf?

RAPPOLD: Schön ist, wenn ein Ofen fertig ist und das Feuer drinnen brennt. Sicher sind schwere Sachen zum Heben dabei, aber dafür hat man auch Stiegenwagerl, mit denen geht es dann leichter.

Daniel Rappold
Daniel Rappold © Payman

LÖSCHER: Den Staplerschein habe ich schon, darf aber erst mit 18 damit fahren.

Welche Karriereschritte planen Sie für Ihre weitere Zukunft?

LÖSCHER: Ich mache gerade die Lehre mit Matura, das ist eine gute Sache. Wenn ich irgendwann doch studieren will, kann ich das später machen. Wer weiß, was noch kommt.

FRIDAU: Ich plane, ab dem nächsten Jahr den Master in Ledertechnik zu machen. Die Firma Boxmark ist gerade dabei, mit der Chemiefachschule einen eigenen Lehrgang zu kreieren.

Wie finden Sie Nachwuchskräfte für Ihre Unternehmen?

PREGLAU-UNGER: Das ist schwierig. Heuer haben wir keine Lehrlinge bekommen – weder Fliesenleger noch Hafner. Wir nützen alle Kanäle – auch soziale Medien, aber es ist nicht so einfach im Handwerk gute Leute zu bekommen.

Helmut Unzog
Helmut Unzog © Pajman

UNZOG: Rund 80 Lehrlinge sind bei der Holding Graz beschäftigt. Für unsere rund 30 Lehrstellen, die pro Jahr neu besetzt werden, bekommen wir etwa 400 Bewerbungen. Im Großraum Graz sind die Jugendlichen oft geneigt, weiter in die Schule zu gehen, es ist nicht mehr so leicht, motivierte junge Leute zu finden. Viele rekrutieren wir aus dem Nicht-Grazer-Raum, weil auch die großen technischen Betriebe in Graz viele junge Leute abschöpfen.

GABRIELE HERLER: Neben Elektrotechnikern, Metalltechnikern, Infomationstechnikern, Lagerlogistikern, Laboranten – bieten wir noch einige Lehrberufe an. Wir haben den Vorteil in Feldbach zu sein, dadurch sprechen wir einige Jugendliche an, die nicht nach Graz fahren wollen.

Gabriele Herler
Gabriele Herler © Payman

Wie schwer ist es, Gerber zu finden? 

HERLER: Der Gerberberuf ist etwas ganz Spezielles, wir hätten genug Interessenten, es gibt aber in Österreich keine Berufsschule mehr. Der letzte Gerber wurde 2010 in Österreich geprüft, alle unsere Mitarbeiter mussten nach Deutschland in die Berfsschule. Einem 15jährigen ist das aber nicht zuzumuten, deshalb haben wir in Eigeninitiative in unserer Boxmark Akademie vor drei Jahren begonnen, ein Konzept aufzustellenaufszustellen und bilden unsere Lehrlinge seit Sommer 2014 selbst aus. Wir haben bereits mehr als 20 Lehrlinge ausgebildet – der jüngste war 22, der älteste 54. Im Oktober startet ein neuer Durchgang mit weiteren 22 Lehrlingen. Diese außerordentliche Lehre endet mit dem Sommer nächsten Jahres.