Das Jahr 2014 war kein gutes für das Görtschitztal. Rund 1000 Menschen sind aus der Region abgewandert. „Das war ein besonders drastischer Aderlass in einem Gebiet, das ohnehin schon besonders stark von der Abwanderung betroffen ist“, sagt der Kulturanthropologe Klaus Schönberger. „Braindrain“ lautet der Fachbegriff für den Verlust von qualifizierten Menschen, die auf der Suche nach besseren Jobs das Weite suchen. Nicht erst seit dem HCB-Skandal ist das Görtschitztal von diesem Problem betroffen.

Die Umweltkatastrophe war Ausgangspunkt für ein groß angelegtes Feldforschungsprojekt zum Görtschitztal: Schönberger und ein Team des Instituts für Kulturanalyse gingen der Frage nach, welches Selbstbild junge Menschen aus der Regionen haben, die den Sturm der öffentlichen Aufregung mitten im Zentrum miterlebt haben.

„Uns hat interessiert, wie die Menschen im Tal ihren Alltag bewältigen – unter besonders schwierigen Umständen“, sagt Schönberger. Bei dieser Untersuchung wurden Jugendliche und junge Erwachsene gebeten, Selfies von sich an ihren Lieblingsorten im Görtschitztal zu machen. Dort trafen sie dann die Forscher und sprachen mit ihnen über Themen wie Familie, Vereinsleben, Arbeit.

Und auch über HCB. „Wir mussten den Skandal nie aktiv ansprechen, die Interviewpartner haben das immer von selber getan“, sagt Schönberger. Er war überrascht von der Wortgewalt, die die jungen Menschen im vermeintlich „stillen Tal“ zu Tage legten. Sie hatten sehr gute Argumente und Überlegungen parat, mit denen sie darlegten, warum sie im Tal bleiben.

Heimat spielte in den Interviews demnach eine große Rolle, der Begriff wurde immer wieder genannt. Die Jugendlichen meinten damit die idyllische Natur, aber auch den sozialen Zusammenhalt von Freunden und Familien, der in der Hochzeit des Skandals großen Rückhalt gebracht hätte. Dennoch geht die HCB-Causa für Schönberger weiter: „Eine Imagekampagne allein wird nicht helfen.“