Sie haben eine beachtliche Karriere gemacht. Wie hat sie begonnen?
RUDOLF SCHMIDT: Als ich an der Grazer Uni inskribierte, wusste ich nicht, was ich studieren sollte. Infrage kamen Medizin, Betriebswirtschaft und Physik. Bei den ersten beiden Zweigen waren die Warteschlangen aber lang. So landete ich bei der Physik. Also eine Zufallsentscheidung, die ich nie bereute. Nach abgeschlossenem Studium suchte ich eine Stelle, landete dabei auf den Anzeigenseiten der Kleinen Zeitung.

Und?
SCHMIDT: Gesucht wurden ein Koch, ein Schuster und ein Physiker. Wieder Zufall. Willibald Riedler, ein noch sehr junger Professor, war gerade aus Schweden zurückgekehrt und wollte in Graz eine Weltraumtruppe aufbauen. Dort habe ich fünf Jahr lang mitgemacht, bevor ich 1982 zur Europäischen Weltraumbehörde nach Holland übersiedelte. Ich war dort hauptsächlich als Wissenschaftler und zur Projektunterstützung tätig, wobei mich das Projektmanagement immer mehr interessierte. 1998 erhielt ich vom Chef die Chance, Projektleiter für den Mars-Express zu werden, der 2003 starten konnte. Ich war vom Anfang bis zum Ende dabei.

Und jetzt hat sich auch noch Hollywood gemeldet. Wie kam das?
SCHMIDT: Es begann konfus. Ich bekam eine Mail-Nachricht von einer gewissen Hannah Ireland. Der Inhalt bestand aus nur drei Zeilen. Man würde einen großen Hollywood-Film drehen und wolle mich um beratende Unterstützung bitten. Die Sache erwies sich tatsächlich als seriös, und so wurde ich Konsulent von Regisseur Ridley Scott & Co.

Haben Sie erfahren, wie Sie zu dieser Ehre kamen?
SCHMIDT: Ja. Wir haben immer eng mit dem JPL (Jet Propulsion Laboratory) in Pasadena zusammengearbeitet. Die sind führend in der Marsforschung. Ich war alle zwei, drei Monate dort und habe Freunde gewonnen. Die haben mich dann empfohlen, als Hollywood anklopfte.
Mussten Sie für diesen „Nebenjob“ nach Amerika?
SCHMIDT: Nein, denn ein Großteil des Films entstand in einem Studio bei Budapest. Außenaufnahmen gab es in Jordanien. Ich konnte das machen, indem ich meine Urlaubstage auf einmal nahm. Das ging sich gerade aus.

Erzählen Sie bitte ein bisschen, wie eine solche Hollywood-Beratung vor sich geht.
SCHMDIT: Erst erhielt ich das Drehbuch. Das war so gut und extrem spannend, dass ich es in einem Zug durchgelesen habe. Das war ausschlaggebend für meine Zusage. Dann erhielt ich Zettel um Zettel, einen auch mit dem Regulativ, wie man nach US-Recht mit Frauen umgehen muss. Ein anderer wieder legte mir absolute Geheimhaltung auf.

So stellt man sich das vor: Arbeit auf dem roten Planeten
So stellt man sich das vor: Arbeit auf dem roten Planeten © 20th Century Fox

Wie sah dann die Beratung aus?
SCHMIDT: Die war vielschichtig. Erst kam es zu ersten Gesprächen mit dem Art Director Arthur Max, der Tipps für den Aufbau der Computeranimationsmaschinen wollte und mich fragte, wie realistisch es ist, wenn Matt Damon als „vergessener“ Astronaut Treibstoff in Wasser verwandelt, damit er auf dem Mars Erdäpfel züchten kann.

Geht das?
SCHMIDT: Es ist im Prinzip möglich, aber sehr gefährlich, weil Hydrazin, der Treibstoff für Raumschiffe, extrem giftig ist – und explosiv. Aber man konnte es durchgehen lassen. Matt Damon hätte den ganzen Vorgang jedoch mit Vollkörperschutz machen müssen. Doch Ridley Scott brauchte unbedingt Matts freien Kopf für Großaufnahmen. Gut, auch da ein Kompromiss.

Wo galt es, noch beratend einzuschreiten?
SCHMIDT: Matt Damon etwa interessierte die englische Aussprache diverser lateinischer Wörter für Mars-Landschaften, und die anderen Schauspieler sollten sie genauso aussprechen. Manche Schauspieler wieder wollten wissen, welche Menschen die Leute sind, die freiwillig ins All fliegen würden. Ridley Scott hatte im Studio ein Pathfinder-Fahrzeug, und er wollte sicher sein, dass die Antenne richtig ausgerichtet ist – in Richtung Erde.

Welchen Eindruck hatten Sie, als alles vorbei war?
SCHMIDT: Ich hatte großen Respekt vor dem hohen Arbeitstempo und der Kreativität dieser Leute und bin heute glücklich, dass ich diese Chance bekam.

Der Marsianer: Regisseur Ridley cott mit Schauspieler Matt Damon
Der Marsianer: Regisseur Ridley cott mit Schauspieler Matt Damon © 20th Century Fox

Unlängst gab es eine Pressekonferenz der Nasa zu einem „wichtigen Thema“. Fast möchte man vermuten, dass es da eine Zusammenarbeit mit den Hollywood-Filmern gab?
SCHMIDT: Das ist nicht so abwegig. Denn verkündet wurde nicht, dass man tatsächlich Wasser entdeckt hatte. Gefunden wurden nur Salze, in denen Ablagerungen von Wasser sein könnten. Diese Aktion war sicher eine gute PR für den Film, aber auch für die Nasa selbst.

Würden sich Mars-Riegel als Weltraum-Nahrung anbieten?
SCHMIDT: Als wir unseren Mars-Express starteten, haben wir bei dieser Firma angeklopft und wollten sie als Sponsor für das Landefahrzeug Beagle 2 gewinnen. Sie haben abgewunken. Übrigens haben wir Beagle 2 mit einer hochauflöslichen Kamera wieder entdeckt. Offensichtlich hatte sich ein Sonnenpaneel nicht geöffnet, dadurch war eine Antenne verdeckt worden und man hatte den Kontakt verloren.

Interessieren Sie sich für Science Fiction im Kino?
SCHMIDT: An sich nicht. Mein Kino-Lieblingsfilm ist „Ein Mann und eine Frau“. Aber – nicht nur, weil ich beteiligt war – auch „Der Marsianer“ ist ein wirklich toller Film geworden.

Wann werden nun wirklich die ersten Menschen zum Mars fliegen?
SCHMIDT: Derzeit rechnen wir mit den 2030er-Jahren. Die Leute, die dabei sein werden, sind meiner Meinung nach jedenfalls schon geboren.

Sie selbst hätte es nie gereizt?
SCHMIDT: Niemals. Ich will schon nach zwei Wochen Urlaub immer nach Hause. Ich gehe 2016 in Pension, renoviere dafür gerade meinen Bauernhof in Ilz und schaue dann, vom Liegestuhl aus, lieber von der Erde zum Mars als umgekehrt.

Physiker und Weltraumexperte Rudolf Schmidt
Physiker und Weltraumexperte Rudolf Schmidt © KK