Zehn Jahre waren Sie als Cheftrainer erfolgsverwöhnt und erlebten mit den österreichischen Superadlern Höhenflüge. 2014 folgte der große Absturz – auf allen Ebenen?
ALEXANDER POINTNER: Es war vorerst einmal kein so schwieriges Jahr. Das Ende meines Vertrages mit dem ÖSV hat mich nicht aus der Bahn geworfen. Und mit dem ersten Buchprojekt „Mut zum Absprung“ schöpfte ich mit meiner Ehefrau Angela wieder ein bisschen Zuversicht. Es war eine intensive Zeit mit meiner Familie, an die ich nur gute Erinnerungen habe.

Aber gegen Ende des Jahres 2014 zogen tiefschwarze Wolken auf.
Ja, das Jahr endete für uns extrem bitter. Unsere Tochter Nina erkrankte an einer Depression. Sie bekam zwar sofort professionelle Hilfe, aber am 5. November 2014 fasste sie den Entschluss, Suizid zu verüben. Das war der schrecklichste Moment unseres Lebens. Niemand von uns konnte sich vorstellen, dass sie diesen Schritt machen würde.

Ihre Frau hat Sie gefunden und reanimiert. Dennoch fiel Nina 13 Monate lang ins Wachkoma. Was war prägend in dieser Phase?
Wir waren jeden Tag bei Nina im Krankenhaus. Um ihr jeden Morgen mit neuer Energie gegenüberzutreten und ihr Zuversicht zu schenken, haben wir besonders darauf geachtet, gut und ausreichend zu schlafen. Trotz Wachkomas gab es einen innigen Austausch. Leider hat ihr in der Klinik nicht viel gepasst, weil immer wieder Komplikationen aufgetreten sind.

Seine Lesereise startete Pointner im Schloss Porcia in Spittal. Über 200 Zuhörer folgten ihm
Seine Lesereise startete Pointner im Schloss Porcia in Spittal. Über 200 Zuhörer folgten ihm © Willi Pleschberger

Im Dezember 2015 traten die Ärzte an Sie und Ihre Ehefrau Angela heran. Sie hielten es für besser, Ihre Tochter gehen zu lassen, weil sie sich in einer medizinischen Patt-Situation befanden. Wie gingen Sie mit der Frage um, ob Sie bereit wären, Ihre Tochter gehen zu lassen?
Dieses Gespräch mit den Ärzten war schmerzhaft, aber nicht verletzend. Uns wurde erklärt, dass ihre Hirnfunktionen stark abgebaut haben. Selbst nach diesem Gespräch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben. Es ist das Schlimmste, wenn man entscheiden muss, sein Kind von lebenserhaltenden Maßnahmen zu trennen. Als es dann soweit war, waren unsere drei Kinder und Freunde dabei. Meine Frau und ich waren die ganze Nacht bei Nina. Am nächsten Tag um 8 Uhr sagte meine Frau: „Sie geht. Alex, sie geht jetzt.“

Alexander Pointner im Gespräch mit Kleine Zeitung-Redakteurin Martina Pirker
Alexander Pointner im Gespräch mit Kleine Zeitung-Redakteurin Martina Pirker © Willi Pleschberger

Wie ging es Ihnen in der schweren Zeit danach?
Es ist so viel Organisatorisches auf uns zugekommen. Ich habe nur noch funktioniert. Die Verabschiedung von Nina war sehr wertschätzend, so viele Menschen sind uns beigestanden.

Wie fanden Sie aus diesem seelischen Ausnahmezustand und der tiefen Trauer wieder heraus?
Zunächst hat professionelle Unterstützung geholfen. Auch das zweite Buch zu schreiben, war Teil der Aufarbeitung. Wichtig war mir, die Themen Suizid und Depression zu ent-stigmatisieren. Es sterben mehr Menschen durch Selbstmord als durch Verkehrsunfälle. So viele Menschen, die an Depression erkrankt sind, trauen sich noch immer nicht, darüber zu reden. Viele erkennen die Symptome nicht und wissen nicht, was los ist. Da muss sich von Grund auf sehr viel ändern.

Warum setzen Sie sich dafür ein, dass in Schulen Standards eingeführt werden, damit Lehrer erste Anzeichen einer Depression erkennen und handeln können?
Was mich gestört hat, war, dass der Klassenlehrer den Schulleiter und die anderen Lehrer nicht über Ninas Krankheit informiert hat. Hätten sie es gewusst, wären sie anders mit ihr umgegangen. Ich will aber niemanden die Schuld zuweisen. Klare Richtlinien in Schulen wären wichtig. Wie etwa, Protokolle über die Krankheit und Therapiepläne zu führen, damit alle auf dem selben Stand sind.

"Mut zur Klarheit. Woher die Kraft zum Weitermachen kommt“ - das Buch von Alexander und Angela Pointner ist im Seifert-Verlag erschienen. Preis: 24,95 Euro
"Mut zur Klarheit. Woher die Kraft zum Weitermachen kommt“ - das Buch von Alexander und Angela Pointner ist im Seifert-Verlag erschienen. Preis: 24,95 Euro © KK/fotoforcher.at