Angelika Davenports bessere Hälfte ist Engländer, ihr Mann ist durch sie halb Österreicher geworden. So kam es wohl nicht von ungefähr, dass sich die mittlerweile sechsköpfige Familie mit dem Hauptwohnsitz in London vor ein paar Jahren nach einem Ferienhaus in Österreich umsah. Bei der Wahl des richtigen Platzes ließ Mr Davenport seiner Frau vollkommen freie Hand. Mit vier kleinen Kindern wollte Mrs Davenport auf jeden Fall aufs Land. Ihre Grundbedingungen: Viel Natur, sicherer Abstand zu stark befahrenen Straßen und ein fußballtauglicher Garten. „Wir haben uns viel angesehen, von Lech über Kitzbühel bis zu den Kärnten Seen“, sagt Davenport. Das Ausseerland war schließlich Liebe auf den zweiten Blick. Auf den ersten war es der Frau, die schließlich eine Metropole gewohnt war, noch zu ruhig. Aber die Schönheit der Natur hatte es ihr schließlich angetan.

Angelika Davenport mit drei eigenen und vier Nachbarskindern
Angelika Davenport mit drei eigenen und vier Nachbarskindern © (c) Oliver Wolf Foto GmbH

Nur ein Problem zeichnete sich ab: Die einzige Immobilie, die hier an geeigneter Stelle zum Verkauf stand, war ein altes Hotel: Bausubstanz mit einer im Kern bald 400jährigen Geschichte, 25 Fremdenzimmer, deren beste Zeit längst vergangen war. Nach unzähligen Umbauten und Adaptierungen stand das Haus zuletzt nur noch aus Gewohnheit - aber das wurde den Davenports erst nach dem Kauf der Immobile bewusst. „Unsere erste Idee war, das Gebäude nur ein bisschen herzurichten und es dann gleich zu bewohnen“, sagt die Hausherrin. Das war im November 2011. Nach der Skisaison 2012 war ihr allerdings klar, dass das Ganze wohl auf eine größere Baustelle hinauslaufen würde. De facto waren die ganzen Sanitärinstallationen zu erneuern, unter unzähligen Bodenschichten kamen nur noch vermorschte Dielen zum Vorschein. Beim Anblick der viel zu schwachen Trame unter dem Dach wurde selbst den Architekten Martin Gruber und Thomas Kopfguter von „Planorama“, die die Davenports zu Rate zogen, angst und bang. „Wenn schon, denn schon“, meinte Davenport und entschloss sich, gleich Nägel mit Köpfen zu machen, soll heißen: keine Kosmetik, sondern gleich ein radikaler Umbau des Hausinneren. Heraus kam eine völlig neue Grundstruktur, die zu den Bedürfnissen einer Familie passt, der Gastfreundschaft heilig ist. Die Außenhaut wurde dabei weitgehend belassen und lediglich thermisch und optisch saniert.

Über die Küche ist das Haupthaus mti dem Nebengebäude mit dem Schwimmbad verbunden.
Über die Küche ist das Haupthaus mti dem Nebengebäude mit dem Schwimmbad verbunden. © PLANORAMA

Innen zeigen sich die englische und die österreichische Wohnkultur von ihrer schönsten Seite. Gemeinsam laufen sie zur Höchstform auf, die Hausherrin überließ hier nämlich nichts dem Zufall oder gar dem Standardprogramm aus irgendeinem Möbelhaus. Das beginnt bei den Böden und endet bei den Nachttischlampen. Der Holzboden etwa wurde aus Schottland geliefert, von einer kleinen Manufaktur, die sich darauf spezialisiert hat, alte Schlossdielen (meist aus Frankreich) mit der Hand abzuhobeln und neu zu verlegen. „Als ich 800 Quadratmeter bestellt habe, haben die freilich schon einmal geschluckt – und die Lieferung dauerte auch viel länger als ursprünglich zugesagt, weil eben alles mit der Hand gehobelt werden musste“, sagt Davenport.

Altes Holz und Möbelstoffe, wie sie die Briten lieben. Das Resultat ist ein Höchstmaß an Gemütlichkeit.
Altes Holz und Möbelstoffe, wie sie die Briten lieben. Das Resultat ist ein Höchstmaß an Gemütlichkeit. © (c) Oliver Wolf Foto GmbH

Eindeutig englisch sind auch die hohen Sockelleisten, die im Hause Davenport montiert wurden. „Andere Sockelleisten sind für einen Engländer undenkbar“, sagt die Hausherrin. Very british war außerdem die Verputzmethode, für die sich Davenport entschied. Beim Stichwort „Multi-Finish“ lautete der Standardsatz der Architekten von Anfang an „Wir warnen, nur auf Ihr Risiko!“, Davenport blieb gelassen: „In England werden alle Häuser damit verputzt, und die Engländer haben viele alte Häuser.“

Das stärkste britische Statement im Haus sind freilich die Stoffe, Farben und Muster. Wände in warmen Tönen von Gelb bis Ziegelrot und dazu ein wilder und dabei unglaublich harmonischer Mix an Farben und Mustern bei den Möbel- und Polsterstoffen. Die gefütterten Vorhänge, Tisch- und Bettdecken wurden allesamt in England genäht, zum Teil aus Stoffen, die die Hausherrin in Ausseerland mit regionalen Mustern von Hand bedrucken ließ. Normale Vorhangstangen sind für solche Stoffe nicht gebaut, sie tragen nicht so viel Gewicht. Schmiedeeiserne Sonderanfertigungen waren die Lösung.

Die Möbel sind ein weiterer Beweis für das Organisationstalent und den sicheren Geschmack der Hausherrin: Davenport suchte sie Stück für Stück schon während der 15montigen Bauzeit auf internationalen Auktionen zusammen, anders gesagt: Als die meisten Menschen nur eine Baustelle vor sich sahen, sah Davenport schon das fertige Haus.

Ihre Einrichtungsmethode: Ausgehend von einem schönen Schrank mit Patina und Geschichte oder einem Bild wie etwa dem Porträt ihrer Urgroßmutter stellte die Hausherrin ein sehr individuelles, einzigartiges Zimmer nach dem anderen zusammen. Wobei sich nicht einmal die Speis oder die Garderobe im Erdgeschoß verstecken müssen: Die einfachen Stahl-Regale gehörten in den 1920erJahren zum Inventar einer englischen Fabrik, die Lampen in der Küche stammen noch aus der Kriegszeit und sind gewissermaßen bombensicher. Um sie überhaupt aufhängen zu können, musste vorher die Decke verstärkt werden.

Der Küchenboden ist wieder eine andere Geschichte: was auch auf den zweiten Blick wie heller, geschliffener Estrich aussieht, entpuppt sich als „gemalter Beton“. Anders als geplant lieferte die Baufirma anfangs nämlich einen schwarzen Untergrund. Die Hausherrin blieb auch in diesem Fall cool und bewies Organisationstalent: „In England gibt es eine Gruppe von Handwerkern, die jedes Material „malen“ können, auch Beton,“ erzählt sie und man ahnt, dass sie mit den Geschichten über ihr Haus auch nach einem zweistündigen Rundgang noch lange nicht fertig ist. Weil hier alles ein bisschen anders ist. In dieses Haus haben Angelika Davenport und ihre Familie ihr ganzes Herz gesteckt, jetzt lässt es sie nicht mehr los: Im April des Vorjahres kam die Familie mit dem Gepäck für einen Sommer hier an. Dann wurde es Weihnachten, und auch Ostern ist vergangen. „Mittlerweile gehen unsere Kinder hier zur Schule und mein Mann pendelt“, sagt die Hausherrin. Gäste aus der anderen Heimat sind ihr immer willkommen. Es ist schließlich kein kleines Haus.