Sie wissen, wie Wohnen geht, beruflich und privat – und sie zogen dabei immer an einem Strang: Der gelernte Architekt Wolfgang Pichler und seine Frau Cornelia, die Englisch und Spanisch studiert hat, haben nach der Jahrtausendwende gemeinsam die Outdoormöbelmarke Viteo aufgebaut. Mit ihrem Firmensitz und dem Wohnhaus im südsteirischen Straß war die Familie mit den zwei Töchtern mehr als zehn Jahre aufs Landleben fixiert. Mit der Verlegung des Firmenhauptsitzes nach Graz im Jahr 2010 wurden die Weichen allerdings neu gestellt.
Das Ehepaar hatte genug von der Gartenarbeit, die das große Haus mit sich brachte, und von den vielen Autofahrten, die zum Landleben dazugehören – vor allem, wenn man Kinder hat. Langer Rede kurzer Sinn: Die Pichlers zog es wieder in die Stadt, nach Graz, wo die beiden ohnehin schon studiert und gelebt hatten. Sie wollten nur eine Mietwohnung, „weil wir nicht wissen, wo es uns noch hin verschlägt, wir möchten flexibel sein“ – und sie wollten mitten ins Zentrum der Stadt.

Nach einem halben Jahr Wohnungssuche stellte das Paar fest: „Den neuen Wohnungen fehlt meistens der Charme, und im Altbau gibt es zwar riesige Räume, aber fast immer zu wenige Zimmer.“ Als die Familie das damals bereits ausgebaute Dachgeschoß eines dreistöckigen Palais aus dem 16. Jahrhundert mitten in der Fußgängerzone betrat, war sie dennoch überwältigt. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, schwärmt die Hausherrin vom gelungenen Spagat zwischen historischer Substanz und modernem Ambiente. Ein rund 200 Quadratmeter großes Loft, über zwei Etagen offener Wohnraum mit imposantem, altem Gebälk. Das einzige Defizit: „Es gab nur einen Rückzugsraum, keine Kinderzimmer und kein zweites Bad“, sagt Cornelia Pichler. Mit der Bereitschaft des Vermieters, auf der Galerie noch die fehlenden drei Räume einzubauen, war für sie und ihren Mann aber klar, dass sie hier tatsächlich eine Wohnung gefunden hatten, die sich nicht kleiner anfühlt als ein Haus.

Tageslicht kommt hier aus allen Himmelsrichtungen, die typischen Grazer Stadtgaupen wurden bei der Generalsanierung 2006 modern interpretiert und sind jetzt als Glasschlitze ausgeführt, die mit der Dachfläche verlaufen. Eine kleine Terrasse ging sich zu guter Letzt auch noch aus. Und die Integration des alten Stiegenhauses in die Wohnung öffnet den Raum in eine dritte Ebene, die zwar nur eine kleine Lese-Ecke bietet, das Refugium insgesamt optisch aber noch größer macht.

Zweigeteilt

Das Zusammenleben ist hier ganz bewusst auf zwei Ebenen aufgeteilt: Das Hauptgeschoß ist allgemeiner Lebens-, Koch- und Essbereich, in dem die Gäste empfangen werden. Die maßgeschneiderte, weiße Küche aus Corian ist ein Entwurf des Hausherrn. Der Esstisch aus dunklem Nussholz harmoniert mit dem 500 Jahre alten Gebälk. Der Lieblingsplatz der Bewohner ist eine Leseecke mit zwei grauen Egg Chairs von Arne Jacobsen. Das Sofa daneben ist ebenfalls ein Designklassiker aus den 1950ern, und der Tisch ist von Viteo, wie naturgemäß auch vieles andere in der Wohnung.

Das Wohnen mit Designstücken aus der Werkstatt ihres Mannes gehört für Cornelia Pichler schon lange zum Alltag. Seit zwei Jahren lebt die Hausherrin ihre Kreativität allerdings auch selber aus und widmet sich dabei ihrer alten Leidenschaft, dem Schreiben. Ihr erster Roman wurde bereits verlegt, das Konzept für einen zweiten liegt gewissermaßen schon in der Schublade – im Schreibtisch auf der Galerie. Diese Zone ist allerdings streng privat. Auf die Galerie zieht man sich zurück, wenn man ganz viel Abstand zum Alltag braucht – oder wenn im unteren Stockwerk wieder einmal volles Haus herrscht, was bei der Gastfreundschaft der Pichlers schon einmal vorkommen kann.

Insgesamt geht es hier ums Wohlfühlen, um einen Raum, der Ruhe und Einheit ausstrahlt, „eine Insel über den Dächern der Stadt“, wie es Cornelia Pichler formuliert. Gemeinsam mit ihrem Mann setzt sie dabei auf zeitlose Grundformen, funktionelle Lösungen, die sich optisch zurücknehmen, und Bilder mit großem emotionalen Wert.