Eines steht fest: Eine Geröllhalde mit einer einsamen Buchskugel in der Mitte ergibt noch keinen Kiesgarten. Christian Kreß, außergewöhnlicher Staudengärtner aus dem Innviertel, beklagt darum auch die rasante Ausbreitung von „Vorgartensteinwüsten“.

Bei unserem deutschen Nachbarn hat man unterdessen bereits zur Gegenbewegung ausgeholt und der „Steinepest“ zugunsten von mehr Natur unter dem Motto „Entsteint euch!“ den beherzten Kampf angesagt.
Mit dem Begriff „Kiesgarten“ werde viel Schindluder getrieben, stößt auch Cassian Schmidt, Leiter des Schau- und Sichtungsgartens Hermannshof, in dasselbe Horn. Manche Flächen hätten das Wort Garten nicht mehr verdient. Dabei gibt es wahre Prachtstücke voll von botanischen Schätzen.

Lange Tradition

Der Reihe nach: Kiesgärten sind keine Erfindung von Baumärkten, die für überschüssigen Kies und kitschige Massenware Absatzopfer suchten. Eine lange Tradition haben sie in Japan, doch diese auf Kies, Felsen und Moos beschränkten Steingärten dienen ausschließlich der Meditation, nicht vergleichbar mit den trendigen Kiesgärten von heute. Erste Ansätze hierzulande gab es im Barock, als farbiger Splitt in den Beeten das Nonplusultra moderner Gartengestaltung war.

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Buchtipp: Der Kiesgarten von Beth Chatto, Ulmer, 39,90 Euro © kk

Kiesgärten berühmt gemacht hat letztendlich die Engländerin Beth Chatto mit ihrem gewagten Experiment in den frühen 90er-Jahren, aus einem schottrigen Kundenparkplatz ein Pflanzenparadies zu machen. Sie wollte zeigen, dass auch bei ungünstigen Bedingungen ein Garten entstehen kann, der das ganze Jahr über prächtig aussieht.

Heute pilgern aus aller Herren Länder Gartenbegeisterte nach Colchester und werden oft noch von der betagten Grande Dame der Kiesgärten, die mittlerweile 92 Jahre alt ist, durch das Refugium geführt. Kiesgärten wollen schließlich als begehbare Landschaft erlebt werden.
Geeignete Pflanzen, also anpassungsfähige Hungerkünstler, fand Chatto in trockenheitsresistenten, graulaubigen Stauden und Halbsträuchern. Bereits im Frühjahr setzen Tulpen und Zierlauch Akzente, Steppengräser wiederum zieren das Winterbild. Die Gartengestalterin aus Essex hat ihr Kiesparadies bis heute niemals gewässert.

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Buchtipp: Kiesgärten: Blütenpracht ohne Gießen von Bernd Hertle, GU, 9,99 Euro © kk

Ökologisch sinnvoll

„Kiesgärten sind vor allem in trockenen Regionen ökologisch sinnvoll und zugleich attraktiv und modern“, bestätigt Experte Bernd Hertle. Bei richtiger Pflanzenwahl und optimaler Bodenvorbereitung müsse solch ein Garten weder gegossen noch gedüngt werden, so der Pflanzenprofessor und Buchautor.

In diesem Zusammenhang gilt es, noch ein Missverständnis auszuräumen: „Den Kiesgarten, der keine Arbeit macht, gibt es nicht“, wirft Christian Kreß ein und räumt auch gleich mit der Mär auf, dass die zuweilen empfohlene Folie das Unkraut wirklich abhält. Außerdem: „Wer vergräbt schon Plastik im Garten?“, fragt er. Höchstens jene, die Kiesgärten mit Kieswüsten verwechseln. Aber das wiederum hat mit Garteln rein gar nichts zu tun.