Leidenschaftlich brachen der Chef der Altstadtsachverständigen-Kommission (ASVK) Wolfdieter Dreibholz und sein Vize Michael Szyszkowitz im letzten G7 eine Lanze für mehr Urbanisierung und Verdichtung in der Altstadt. Sie nannten sogar historische Objekte, die man abreißen oder aufstocken könnte. Darunter das Eckhaus Gleisdorfer Gasse/Girardigasse. Das Nachbeben nimmt kein Ende.

Mittendrin steht Michael Szyszkowitz. Weil er viele Aufträge inmitten der Welterbestadt abwickelt. Und weil seine langjährige Doppelrolle als Planer der Modernisierung und Schutzherr der Altstadt in der Kommission erstmals auch offen als unvereinbar diskutiert wird. Eine Reihe von Objekten bringen ihn ins Kreuzfeuer.

Zuallererst jenes Eckhaus bei der Gleisdorfer Gasse, das Dreibholz und Szyszkowitz ins Spiel gebracht haben. Genau dieses Objekt haben in der Vorwoche die Bauträger Bewo und Wegraz gekauft, um es auszubauen. Und just Szyszkowitz hat auf Wunsch von Wegraz-Eigentümer Reinhard Hohenberg dazu eine Studie für einen Zubau gemacht und auch schon das Denkmalamt kontaktiert. Die neu überbaute Thalia werde an Höhe zulegen, auch das Nachbarhaus sei höher. Man könne das "Vorstadthaus im Zentrum" im hinteren Bereich, "wo diese Feuermauern sind", aufstocken, argumentiert Szyszkowitz: "Den vorderen Bereich des Hauses würde ich nie abreißen." Wie er überhaupt alte Gebäude nicht schleifen will: "Aber man muss sie weiterentwickeln, damit sie nicht leerstehen und verfallen." Die Antwort des Bundesdenkmalamtes auf Szyszkowitz' Pläne für die Gleisdorfer Gasse: Ein Unterschutzstellungsverfahren ist eingeleitet.

Dachabbruch im Zentrum

Auch die Baustelle beim "Kleinen Elefanten" am Franziskanerplatz sorgt für Unruhe. Hier saniert die Immovate den Block nach Plänen von Szyszkowitz-Kowalski. Der Dachstuhl war morsch, das historische Dach wurde abgerissen und leicht verändert mit eingeschnittenen Lichtschlitzen neu gebaut. Alles mit Segen der ASVK, deren Vizechef ja Szyszkowitz ist. Einige Planänderungen sind jetzt noch zu bewilligen.

Obwohl die Architekten in der Kommission die Sitzungen verlassen, wenn eigene Projekte behandelt werden, kritisiert Denkmalamtschef Christian Brugger die Doppelrolle: "Vielleicht sollten Architekten, die viel in Graz machen, nicht in der ASVK sitzen." Szyszkowitz sieht da keine Unvereinbarkeit: "Außer man spricht mir die Lauterkeit ab."

Dennoch ist Ex-Landeskonservator Friedrich Bouvier als Monitoring-Beauftragter der Welterbehüter von Icomos seit dem Abbruch des Brandl-Hauses 2009 und dem Neubau der Steiermärkischen Sparkasse am Andreas-Hofer-Platz alarmiert: "Die ASVK hat den Altbau ohne fundamentale Auseinandersetzung mit seiner Substanz zum Abbruch freigegeben." Jetzt steht dort ein blauer Neubau. Die Stadtplanung hatte dazu ein negatives Gutachten verfasst. Die ASVK gab grünes Licht. Die Architektur stammt von Szyszkowitz-Kowalski. Bouvier: "Diese Doppelrolle irritiert die Icomos." Und er bangt: "Mit der Altstadt ist das wie bei einem Gebiss. Mit jedem Zahn, der entfernt wird, droht das ganze zu kippen."

"Wo ist da die schiefe Optik?"

Einen Steinwurf entfernt wittern viele die nächste Unvereinbarkeit, die für den Ex-Landeskonservator schon "katastrophal" ist. Der Noch-Acoton-Chef Gerald Gollenz will für den Neubau im Zentrum des Platzes den ASVK-Chef Dreibholz in die Wettbewerbs-Jury holen und dessen Vize Szyszkowitz als einen der teilnehmenden Architekten zum Wettbewerb laden. Letzterer gibt zu Protokoll: "Dreibholz war schon bei 30 Wettbewerben in der Jury, an denen ich teilgenommen habe. Und ich habe alle verloren. Wo ist da die schiefe Optik?"