Robert Hartlauer hat kein Gesicht. Stattdessen blickt man in eine Kameralinse. Kurz darauf in ein grelles Blitzlicht. Die Kameralinse spricht sogar, erklärt Vorzüge des japanischen Fabrikats. Es blitzt erneut.

Was machen Sie da?
ROBERT HARTLAUER: Ich fotografiere Sie (es blitzt schon wieder).

Das ist nicht zu übersehen. Wie viele Fotos machen Sie pro Tag?
HARTLAUER: So an die hundert.

Und was machen Sie damit?
HARTLAUER: Ich archiviere sie. Es ist mein Tagebuch. Ich habe das in digitaler Form lückenlos seit dem Jahr 2000. Jeden Tag.

Wann schauen Sie die Fotos an?
HARTLAUER: Ich sichte und sortiere sie sofort in thematische Best-of-Ordner und am Jahresende mache ich mein „Best of the year“-Fotobuch mit 600 bis 800 Fotos. Man glaubt gar nicht, wie glücklich man wird, wenn man sich am 31. Dezember anschauen kann, was man im abgelaufenen Jahr alles erleben durfte. Das ist für mich fast eine therapeutische Angelegenheit, um mich einzubremsen, mich langsamer zu machen.

Wie sind Sie als Chef?
HARTLAUER: Impulsiv. Aber ich bemühe mich, meinen Mitarbeitern gegenüber gerecht und wertschätzend zu sein.
Ist es in Österreich leicht, Unternehmer zu sein?
Hartlauer: Ich finde schon. Wenn man bei uns etwas starten will, ist es vergleichsweise leicht. Wenn Sie mich aber als Kaufmann fragen, was ich mir wünschen würde, fällt mir viel ein.

Zum Beispiel?
HARTLAUER: Ich würde mir von der Politik eine Differenzierung wünschen. Man könnte ja heimischen Handwerksbetrieben, die gegen Konkurrenz aus Billiglohnländern antreten müssen, einen Steuervorteil geben, weil es uns wichtig ist, dass die Wertschöpfung in Österreich bleibt. Oder dass ein Dienstleister, der im Vergleich zu global agierenden Versandhäusern tatsächlich Menschen anstellt wie wir, um mehr Service anbieten zu können, einen kleinen Ausgleich bekommt. Und nicht nur immer mehr Strafen, immer mehr Auflagen, immer mehr Inspektionen, immer mehr Lohnsteuervorschreibungen.

Für Ihren Vorstoß Richtung Arbeitszeitflexibilisierung haben Sie zuletzt massive Kritik geerntet.
HARTLAUER: Ich sage zu Themen wie Arbeitszeit oder Gewerkschaften nichts mehr. Ich will in Wahrheit nichts Böses – ganz im Gegenteil. Aber das Thema ist zu komplex, um es verkürzt darzustellen.

Aber es ist woanders jedenfalls leichter. In den USA kann ich Lebensmittel rund um die Uhr kaufen.
HARTLAUER: Das muss man branchenspezifisch differenzieren, ob es sinnvoll ist. Ich träume jedenfalls nicht davon, dass alle Geschäfte bis spät in die Nacht oder am Sonntag offen sind. Aber ich hätte vielleicht gerne einmal in der Woche einen längeren Einkaufsabend – und den nicht zu doppelten Kosten für den Arbeitgeber. Ich will auch nicht, dass die Mitarbeiter mehr arbeiten, aber dass sie zu anderen Zeiten flexibler arbeiten dürfen.

Wie sind bei Ihnen die Öffnungszeiten geregelt?
HARTLAUER: Wir haben überall unterschiedliche Regelungen, auch bei Samstagsöffnungszeiten – je nach Standort und Bedarf.

Ihr Bedarf an Einkaufszentren scheint nicht besonders ausgeprägt.
HARTLAUER: Weder im persönlichen Konsumverhalten noch als Unternehmer, das ist richtig. Wir haben zwar Standorte in Einkaufszentren, aber die sind wirtschaftlich nicht besonders erfolgreich, weil die Kosten viel höher sind als bei einem Straßengeschäft in der Innenstadt. Allein die vorgeschriebenen, meist viel längeren Öffnungszeiten führen bei mir zu bis zu 25 Prozent höheren Personalkosten. Das frisst den gesamten Ertrag auf, denn längere Öffnungszeiten heißt nicht mehr Geschäft.

Warum klagen dann so viele Innenstadtkaufleute?
HARTLAUER: Es gibt in Österreich zu viele Verkaufsflächen. Da hat die Politik vielen Geschäften den Todesstoß versetzt. Vielleicht unbewusst, weil sie sich von Investitionen, mehr Kommunalsteuer, zusätzlichen Arbeitsplätzen und Parkplätzen hat blenden lassen – und damit Altstädte wirtschaftlich kaputtgemacht hat. Aber die Städte als Geschäftsstandort werden überleben.

Robert Hartlauer:
Robert Hartlauer: "Mache an die hundert Fotos pro Tag" © Gernot Eder

Hat es schon einmal Überlegungen gegeben, die Firmenzentrale ins Ausland zu verlegen?
HARTLAUER: Ich bin glühender Österreicher. Außedem kann ich mit meinem Handelskonzept aus meiner Sicht nicht ins Ausland. Auch Bayern geht nicht mehr. Wir waren schon mit Standorten dort, auch in Slowenien. Aber im Handel muss man ganz dicht im Leben der Kunden stehen. Man muss ihre Mentalität inhalieren, sonst nehmen sie dich nicht ernst. Das geht entweder indem man dort selbst zu Hause ist oder sich entsprechende Strukturen samt Mitarbeitern aufbaut. Das ist dann aber wie ein finanzielles Investment, da kann ich gleich Aktien kaufen. Das will ich nicht. Mich interessiert das reine Geld nicht. Mich juckt der Spaß am Arbeiten. Da weiß ich, was ich bewegen kann.

Und eine Übersiedelung innerhalb Österreichs?
HARTLAUER: Warum sollte ich? Für ein Handelsunternehmen ist es nicht entscheidend, wo der Standort der Zentrale ist. Wir sind sowieso in ganz Österreich unterwegs. Wichtig ist, dass man gute Mitarbeiter hat. Und wenn man nicht im Zentrum sitzt, gewinnt man andere Sichtweisen. Das hilft. Denn wenn man immer alles so macht, wie es alle anderen gerade machen, dann wird man nicht erfolgreich sein.

Sind wir in Österreich diesbezüglich zu träge?
HARTLAUER: Wohlstand führt generell zu Trägheit, weil man einfach zufrieden ist und keine Notwendigkeit zur Veränderung sieht. Veränderungen passieren bei vielen Menschen nicht freiwillig, sondern nur unter Schmerzen und Druck. Da es uns aber in Österreich sehr gut geht – selbst die, die jammern, müssen das nach kurzer Zeit zugeben –, folgt eben auch die Politik dem Credo „Nur ja nichts ändern“.

Aber es könnte sich ja auch ins Negative verändern.
HARTLAUER: Das sehe ich nicht so. Veränderungen kann man ja auch wieder zurücknehmen. Aber wenn man nie etwas verändert, dann wird man verändert.

Wie sieht eigentlich Ihr Traumkunde aus? Ein schwerhöriger, sehschwacher Mensch, der sich für Handys interessiert?
HARTLAUER: Nein, es müsste einer sein, der sich sein Leben lang für Hartlauer interessiert. Der seine Babyfotos bei uns gemacht hat, seine erste Kamera bei uns bekommen hat und später die erste Brille und im hohen Alter sein Hörgerät bei uns kauft.

Was auffällt, ist die Fokussierung auf älteres Zielpublikum. Was ist denn der Reiz des Alters beziehungsweise älterer Konsumenten? Dass sie kaufkräftiger sind?
HARTLAUER: Der Reiz des Alters aus unternehmerischer Sicht ist, dass die Bedürfnisse weniger sind – und damit mehr im Geldbörserl bleibt. So ehrlich muss man sein. Ein junger Mensch will eher ein Auto kaufen oder Häuslbauen – in diesen Branchen bin ich aber nicht aktiv.

Sie haben den Betrieb nach dem überraschenden Tod Ihres Vaters übernommen. Hatten Sie eigentlich einen beruflichen Plan B?
HARTLAUER: Mehrere. Eine Geschichte war der mobile Augenoptiker – also die Versorgung von Kunden direkt vor Ort, also beispielsweise in Altersheimen, mit einem eingeschränkten Produktangebot, aber vollem Service. Das Zweite war, dass ich einen Luxusreisezug machen wollte.

Wo hätte der fahren sollen?
HARTLAUER: In Österreich. Mit schönen Appartements, zwei bis drei pro Waggon samt Concierge-Service. Kurze Fahrtstrecken von rund 100 Kilometern – die schönen Hotspots des Landes tagsüber anfahrend. Das hätte Potenzial.

Ihre Werbeschiene als Unternehmer ist stark personifiziert. Wie lange hat die Entscheidung gedauert, dieses Konzept von Ihrem Vater zu übernehmen?
HARTLAUER: Das geschah in einer Phase, als es meinem Vater nicht mehr so gut ging und ich die Firma übernommen hatte. Damals hatten wir keine Spots mehr vorbereitet und mussten überlegen, wie es weitergeht. Damals war mir alles abseits der Gesundheit meines Vaters egal. Auch, ob das mit den Spots gescheit ist. Ich habe später zwar kurz überlegt, ob ich eine ganz andere Linie einschlage. Aber es war und ist ja so etwas wie unser Markenzeichen und es wäre ewig schade, auf so etwas zu verzichten.

Sie verzichten damit aber auf Anonymität.
HARTLAUER: Es gab eine Zeit, da hätte mir gewünscht, dass mich keiner kennt. Mittlerweile habe ich gelernt, damit umzugehen, weil die Halbwertszeit dieser Bekanntheit ohnehin zu lange dauert. Ob dich in 25 Jahren vielleicht ganz sicher einer erkennt, ist dann auch schon egal. Ich habe mein Verhalten eben angepasst. Ich gehe nicht mehr auf große Bierfeste und ich genieße es, wenn ich in Schanghai auf der Straße stehe und mich keiner kennt.

Wie viele Brillen haben Sie?
HARTLAUER: 40. Und ich wechsle täglich durch. Wenn ich drei neue dazubekomme, zwinge ich mich selbst, drei wegzutun.