Die Wegwerf-Unterhose von Bic war keine Innovation. Die Kunden wollten keine Slips von einem Unternehmen haben, das Kugelschreiber, Feuerzeuge und Rasierer herstellt. Die rauchfreie Zigarette der Firma R.J. Reynolds (Camel, Winston) war keine Innovation: Die Raucher wollten kein rauchfreies Produkt und Nicht-Raucher interessierte die Zigarette namens „Premier“ schon gar nicht. Und auch das Newton Messagepad von Apple war keine Innovation: Der Vorläufer von iPhone und iPad kam Anfang der 1990er-Jahre auf den Markt und floppte – er war seiner Zeit schlicht und einfach voraus. Zu einer gelungenen Innovation gehört eben nicht nur der Status des Neuen, sie muss Kundenbedürfnisse übersetzen.

In Kärnten steigt die Zahl jener Unternehmen, die ihre Kundenbedürfnisse so gut kennen, dass daraus Erneuerungen entstehen. In den vergangenen 20 Jahren stieg die Forschungs- & Entwicklungsquote von 0,42 auf 2,8 Prozent des Bruttoregionalproduktes. Kärnten hat damit hinter der Steiermark und Wien österreichweit den dritten Platz eingenommen.

Das Motto der Klagenfurter Innovations-Avantgarde gibt Roland Waldner, Innovationsmanager bei Philips Klagenfurt und Leiter der Arbeitsgruppe Innovation der Industriellenvereinigung Kärnten, vor: „Eine Innovation ist selbst kein Ziel, sondern eine mögliche Maßnahme, um unternehmerische Ziele zu erreichen.“ Innovation gilt als wichtige Triebfeder für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, der Produktivität und des Wachstumspotenzials von Unternehmen.

In Klagenfurt betreibt Philips seinen weltweit wichtigsten Innovationsstandort. Der Schwerpunkt liegt auf Haushaltsgeräten für die gesunde Küche. Als Absatzgebiet hat der niederländische Konzern den Weltmarkt im Visier. Millionen Menschen weltweit verwenden schon jetzt Produkte, die in Klagenfurt ihren Ursprung haben. Als „jüngstes Kind“ bezeichnet Standort-Geschäftsführer Ferdinand Sereinig einen Stabmixer, dessen Geschwindigkeit der Benützer gleichsam mit Gefühl steuern kann – ähnlich einer Bohrmaschine. Gerade haben Waldner und sein Team den „Airfryer“ weiterentwickelt, eine Heißluft-Fritteuse, die ganz ohne Öl auskommt und es ihren Benützern ermöglicht, ohne schlechtem Gewissen zu „sündigen“. Und das Ding macht sogar Grillstreifen.
Auch der Philips Soup-Maker, der autonome Suppenkochtopf, wurde weiterentwickelt; samt Rezepte-App, die Kochen nach Bildern ermöglicht - auch jenen, die eigentlich gar nicht kochen können. „Die Lebensumstände verändern sich. Die meisten wollen selber kochen. Die Kinder sollen gesund ernährt werden. Aber das Ganze mit möglichst wenig Aufwand“, sagt Sereinig. „Gesundheit“ sei überhaupt eines der Schlüsselthemen für die Zukunft. Derzeit läuft ein Forschungsprojekt, in dem Philips mit dem Innsbrucker Institut für Biochemie, der Uni für Bodenkultur in Wien und der Uni Laibach zusammenarbeitet, mit dem Ziel, beim Kochen nur die guten, wohlschmeckenden und gesunden Inhaltsstoffe der Lebensmittel zu generieren.
Aber wie lebt Philips Klagenfurt seine Innovationskultur?
„Wir haben immer den Kunden im Auge, holen sogar Kunden zu uns in die Firma, um ihnen bei der Benutzung unserer Produkte zuzusehen“, sagt Waldner. Beim Entsafter wollten die Kunden mehr Saft erhalten, sie wollten den Saft noch geschmackvoller, und sie wollten das Gerät noch leichter reinigen. Hierauf sondieren Waldner und Co. den Mitbewerb. Für den Entsafter wurden 4500 Patente durchforstet, darunter waren letztlich aber nur 50 relevante. Unter anderem wurde beobachtet, wie nasse Wände entfeuchtet werden. Schließlich kam man auf das Prinzip eines umgedrehten Siebes.

Innovationsmanager Roland Waldner
Innovationsmanager Roland Waldner © Konitsch

"Innovationen haben mit Freiheit zu tun, daher treffen wir uns oft im Freien, zeichnen Ideenkarten und dann immer feinere Modelle", sagt Waldner. Immer wieder ist man auch im Labor, immer wieder betritt man Irrwege und verlässt sie wieder. Waldner weiß: „Um ein Leben voller Kreativität zu leben, müssen wir unsere Angst vor dem Versagen ablegen – und uns früh genug von einer Idee trennen können." Leichter gesagt als getan. Denn die Genese einer Innovation verläuft immer in drei Schritten: Zunächst stößt sie auf Widerstand bzw. Ablehnung, allein schon weil der Mensch auf Bequemlichkeit gebürstet ist. Es folgt eine Phase der Verwirrung. Erst danach kann man von Akzeptanz sprechen. Waldner formuliert es so: „Man zerstört schöpferisch etwas Altes.“ Das gibt es auch im Sport. Seit 1990 wird im Skisprung der V-Stil praktiziert. Die Technik beim Hochsprung revolutionierte 1968 Dick Fosbury, der bei den Olympischen Spielen in Mexiko die Latte erstmals rücklings überquerte.

Auch Unternehmer Otmar Petschnig musste das erkennen. Um sich langfristig am Markt behaupten und weiter wachsen zu können, reicht die traditionelle Dachdeckerei heute nicht mehr aus. Wenn heute ein Dachdecker aufs Dach steigt, ist er in den meisten Fällen mit einem Laptop ausgerüstet.

Ingram Eusch und Otmar Petschnig verbinden Traditionelles mit Innovativem
Ingram Eusch und Otmar Petschnig verbinden Traditionelles mit Innovativem © Weichselbraun

Dachtechniker ist in dem Zusammenhang die richtigere Bezeichnung. Und wer bei der Firma Fleischmann & Petschnig in Klagenfurt arbeitet, muss auch ein Experte in Sachen Fotovoltaik sein. Petschnig weiß: „Früher war das Dach nur eine Hülle. Jetzt steigen die Anforderungen an
das Produkt. Wir brauchen Innovationen.“ Seit drei Jahren ist das Dach der Firma Fleischmann & Petschnig in der Rosentaler Straße quasi ein „Versuchslabor für Photovoltaik“. Sechs Anlagen verschiedenster Hersteller und mit unterschiedlichen Technologien laufen im Testbetrieb. Zusammengearbeitet wird mit der Firma Kioto Photovoltaics aus St. Veit. Die Idee ist es, zu testen, welche Anlage für die unterschiedlichen Dachflächen am besten geeignet ist und welche unter welchen Voraussetzungen am effektivsten arbeitet.
Traditionelles Dach plus völlig neue Technik: Diese Kombination hat die Firma Fleischmann & Petschnig in den vergangenen Jahren stark wachsen lassen. Waren es vor zehn Jahren 110 Mitarbeiter, sind es heute 170. Und das Anforderungsprofil hat sich auch in der Ausbildung stark geändert.

Vor Kurzem wurde auf dem Firmendach noch eine siebente Anlage errichtet. Ein Solardach, das vor allem in südlicheren Bereichen und bei geneigten Flächen zum Einsatz kommt. Spanien und Kroatien sind hier beispielsweise Zielländer. Die Exportquote bei der Photovoltaik liegt mittlerweile, so Petschnig, bei 30 bis 60 Prozent. Die Anlagen werden von einem Computer aus kontrolliert. Und mit der Technik wird den Kunden auch der Service mitgeliefert. Der Dachtechniker kontrolliert regelmäßig den Zustand und überzeugt sich vom Funktionieren der Anlage. 70 bis 80 Prozent des Gesamtgeschäftes fallen unter das Thema Sanierung. „Und da ist es sinnvoll, sich gleich das Thema Energienutzung mitzuüberlegen“, erklärt Petschnig.

Schöpferisch etwas Altes zu zerstören, etwas Neues in die Welt bringen – auch Platzhirschen wie der Uhrband-Produzent Robert Hirsch und seine 700 Mitarbeiter müssen sich dieser Herausforderung immer wieder aufs Neue stellen. „Schon mein Großvater hat bei der Gründung des Unternehmens 1945 gesagt, dass es nichts gibt, was nicht noch besser gemacht werden kann.“ Das Wissen und Gespür für Armbänder für Uhren hat der Klagenfurter Firma im Vorjahr einen Umsatz von 57 Millionen Euro beschert. Jede große Erfindung, die mit dem Lederarmband für Uhren zusammenhängt, kommt aus Klagenfurt. „Es gibt nichts, was wir vom Mitbewerber übernommen haben. Aber viel, was die Mitbewerber von uns übernommen haben.“

Robert Hirsch leitet das Unternehmen in dritter Generation
Robert Hirsch leitet das Unternehmen in dritter Generation © Traussnig

Eine so lange und erfolgreiche Unternehmensgeschichte ist nur möglich, wenn Innovationskraft gegeben ist. Drei Patente pro Jahr werden angemeldet, mehr nicht, denn „mit einem Patent geben wir eigentlich unseren Konkurrenzvorteil auf“. Die Firma Hirsch war die erste, die wasserfestes Leder für die Armbänder wasserfester Uhren anbieten konnte. Und in Zusammenarbeit mit einer Hautklinik wurde eine besondere Beschichtung entwickelt, die innen auf das Futterleder aufgetragen wird. So können auch jene Lederarmbänder tragen, die gegen bestimmte Stoffe allergisch sind.

Ein Armband muss wesentlich mehr können, als eine Uhr an der Hand zu halten. „Es ist ein Produkt, das eine gewisse Intelligenz mitbringen muss, und es ist das Kleid der Uhr, weil es sie schmückt“, findet Hirsch.
Die Rezepturen für das Leder entwickeln die Mitarbeiter der Firma Hirsch gemeinsam mit den Gerbereien. „Die Uhr wird an dem am meisten bewegten Körperteil getragen. Das Leder muss weich und geschmeidig bleiben. Es muss der Reibung auf Tisch und Papier standhalten.“
Und wie behaupten sich Uhren in Zeiten, wo viele nur noch ihr Handy zur Hand nehmen, wenn sie wissen wollen, wie spät es ist? Hirsch: „Natürlich ist die Zeitmessung ein wesentlicher Bestandteil. Aber der Grund, eine Uhr zu tragen, ist ein anderer. Sie ist ein Prestigeobjekt. Ich kann mir mit jeder Uhr eine andere Personalität umhängen.“

Haben wollen sollen

Hirsch-Armbänder schmücken die bekanntesten und schönsten Uhren der Welt. 16.000 Fachhändler in 85 Ländern werden beliefert. Knapp drei Millionen Armbänder verkauft Hirsch jährlich. „Pro Jahr werden weltweit 1,2 Milliarden Armbänder verkauft – noch viel Potenzial für Kunden“, sagt der Firmenchef. Ein Grundsatz: „Wir sind immer auf der Suche nach dem Detail, von dem der Konsument noch nicht weiß, dass er es braucht. Es ist die Kraft, die zu Kreativität führt und die uns erlaubt, Neues zu denken.“