Auf dem Weg in ruhigeres Fahrwasser nach der weltweiten Abgaskrise muss der VW-Aufsichtsrat am Dienstag eine weitere heikle Hürde nehmen. Die 20 VW-Kontrolleure beraten bei ihrem Treffen am späten Nachmittag in Wolfsburg unter anderem über die Frage, ob das Gremium den Anteilseignern bei der Hauptversammlung am 22. Juni empfehlen wird, den Vorstand für das Krisenjahr 2015 zu entlasten.

Eine brisante und schwere Entscheidung, denn die Empfehlung muss bereits am kommenden Donnerstag in der Tagesordnung für das Aktionärstreffen im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.

In diesem Kontext wird der Fokus erneut auf den bisher nur per Gerichtsbeschluss zum Aufsichtsratsvorsitzenden bestellten Hans Dieter Pötsch fallen. Pötsch war bis zu seinem umstrittenen Wechsel in das Kontrollgremium Finanzvorstand im Konzern und hat damit maßgeblichen Anteil an der bis heute umstrittenen Frage über den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Abgaskrise an die Finanzwelt.

Nach Informationen des "Handelsblatts" (Dienstag) analysiert die Kanzlei Gleiss Lutz derzeit, ob beziehungsweise wie eine Entlastung des Vorstandes möglich ist. Denkbar wäre demnach auch, dass die Entlastung zunächst vertagt wird. Die Empfehlung zur Entlastung muss in der Tagesordnung veröffentlicht werden.

Insider gehen davon aus, dass die Aktionäre bei der Hauptversammlung in Hannover kein Blatt vor den Mund nehmen und den Vorstand für die Abgaskrise massiv kritisieren werden. Der Finanzinvestor TCI hatte seinen Unmut über die Situation bei Volkswagen bereits geäußert. Nach einem aktuellen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstag) sucht TCI derzeit unter den Investoren Verbündete, um den Konzern auf mehr Effizienz und höhere Renditen zu trimmen. Die Einflussmöglichkeiten sind aber sehr begrenzt, da TCI der "Financial Times" zufolge zwar einen zweiprozentigen Aktienanteil im Wert von rund 1,2 Mrd. Euro aufgebaut hat, jedoch handele es sich um nicht stimmberechtigte Vorzugsaktien.

Bei der Aufsichtsratssitzung und der vorausgehenden Präsidiumssitzung stehen aber noch weitere interessante Punkte auf der Agenda, die bei der Hauptversammlung eine Rolle spielen werden: Neben der seit Monaten obligatorischen Aufarbeitung der Abgas-Krise durch die US-Kanzlei Jones Day wird sich das 20-köpfige Gremium vermutlich auch mit personellen Neuerungen in den eigenen Reihen befassen. Nach Informationen des "Handelsblatts" und der Deutschen Presse-Agentur spielt der Großaktionär Katar mit dem Gedanken, künftig eine Frau in den Aufsichtsrat zu entsenden. Laut "Handelsblatt" soll der Vize-Vorsitzende der Katar-Holding, Hussain Ali Al-Abdulla, aus dem Gremium ausscheiden. Er ist seit 2010 Mitglied im Aufsichtsrat.

Mit dem Schritt könnte die Frauenquote im Aufsichtsrat leicht verbessert werden. Ein Bundesgesetz verlangt seit dem 1. Januar eine fixe Frauenquote von 30 Prozent für neu zu besetzende Kontrollposten. Hier hat VW noch Nachholbedarf, derzeit haben nur drei Frauen einen Platz inne. Für die Katarer könnte sich laut dpa-Informationen zudem bald noch etwas ändern: Erstmals winkt dem Emirat auch ein Platz im bisher sechsköpfigen Präsidium des Aufsichtsrates. Um die Machtbalance von Kapital- und Arbeitnehmerseite zu erhalten, soll das oberste Kontrollgremium dann auf acht Plätze erweitert werden.