"Rettet unser Bargeld!" Max Otte, er ist jener Ökonom, der die Finanzkrise 2008 vorhergesagt hat, sorgt mit einer Streitschrift und einer Online-Petition wieder für Aufsehen. Die bargeldlose Welt sei näher als wir glauben und sie würde uns unsere Freiheit rauben – so sein Postulat.

Herr Otte, heute berät der Rat der Europäischen Zentralbank über die Zukunft der 500-Euro-Banknote. Womit rechnen Sie?
MAX OTTE: Ich rechne mit der Abschaffung. Das ist ziemlich dramatisch, denn 60 bis 70 Prozent unseres Geldes in Europa liegt in großen Scheinen vor. Das nehmen die Leute zwar nicht zum Bezahlen, aber vor allem, um Vermögen aufzubewahren. Die Abschaffung des 500ers ist Teil des konzertierten Krieges gegen das Bargeld.

Abgesehen von der Wertaufbewahrung – wofür brauchen wir den 500er noch?
OTTE: Er ist logistisch für die Notenbanken sehr wichtig – zur Aufbewahrung, zum Transport. Der 500er schafft zum Beispiel auch beim Gebrauchtwagenkauf Sicherheit.

Wer bzw. was steckt hinter dem „Krieg gegen das Bargeld“?
OTTE: Der Grund für diesen Krieg ist, dass der Westen pleite ist. Wir haben seit der Finanzkrise Schulden aufgenommen, die nie im Leben zurückgezahlt werden können. Zum einen stecken die Staaten hinter dem Krieg gegen das Bargeld, weil sie, wenn eine weitgehende bargeldlose Wirtschaft Realität ist, sie über die Banken auf unser Geld zugreifen können, in Form von Enteignungen oder Abgaben. Auch die Banken sind dafür, da auch das Bankensystem pleite ist und wir ohne Bargeld keine nennenswerten Beträge mehr abheben können. Dazu kommen die Anbieter von Bezahlsystemen, die bei jedem Bezahlvorgang mitverdienen, und als große Gruppe die Anbieter von E-Commerce. Ohne Bargeld sind wir dem Staat und den Banken schutzlos ausgeliefert.

Ist das eine Verschwörung?
OTTE: Nein, ich vermute handfeste Machtstrukturen und eine Ohnmacht der Vertreter der Bürger.

Sie sagen, die bargeldlose Welt sei näher als wir glauben. Woran, außer an der Debatte um den 500er, machen Sie das fest?
OTTE: Daran, dass wir als Bürger bereits unter Schuldvermutung gestellt werden, wenn wir mehr als 10.000 Euro beheben, dass wir das anmelden müssen. Das ist unser Geld. Wir sind eingeschüchtert. Auch daran, dass bereits sehr viel über E-Commerce läuft.

Der Kampf gegen Kriminalität, der beim 500er angeführt wird, ist aus ihrer Sicht kein Argument?
OTTE: Das ist ein absolutes Scheinargument. Es geht darum, dass das Rechtsgut Bargeld zerstört werden soll, damit E-Commerce und Bezahldienste freies Spiel haben. Wenn es gelingt, können wir uns als Bürger nicht mehr wehren, unser ganzes Leben wird transparent.

Ist eine völlig bargeldlose Gesellschaft überhaupt lebbar?
OTTE: Eine totale Bargeldabschaffung kommt nicht, aber Obergrenzen für Bargeschäfte und für Abhebungen sind schon genannt worden. Dann haben die Gegner des Bargeldes 80 Prozent ihrer Ziele erreicht. Da kann man kleinere Bargeldmengen umlaufen lassen, der Kontrollstaat ist dann trotzdem komplett.

INTERVIEW: HANNES GAISCH-FAUSTMANN